„Was bist du bereit für den/die andere/n zu tun?“ – Gewinnertexte der Schreibwerkstatt des ehemals achten Jahrgangs des Gymnasiums Walsrode

Herbstzeit ist Lesezeit. Draußen wird es dunkler und ungemütlicher. Die perfekte Zeit, um es sich drinnen mit etwas zum Lesen gemütlich zu machen. Den passenden Lesestoff bieten die folgenden Kurzgeschichten aus dem ehemals achten Jahrgang. Unter dem Thema „Was bist du bereit für den/die andere/n zu tun?“ fand bis zum Ende des letzten Schuljahres im achten Jahrgang eine Schreibwerkstatt statt, in der die Schüler/innen selbst zum Autor/zur Autorin wurden. Mit viel Engagement wurden Kurzgeschichten geschrieben, überarbeitet und präsentiert. Dabei war das Schreiben gar nicht so leicht, denn neben den klassischen Kennzeichen von Kurzgeschichten und dem Thema mussten zudem – in Anlehnung an die Kurzgeschichte „Schwarzfahren für Anfänger“ von Marlene Röder – diverse Rückblenden auf verschiedenen Zeitebenen in der Geschichte Berücksichtigung finden. Doch die Mühe hat sich gelohnt. So werden hier nun, nach einer schwierigen und meist sehr knappen Entscheidung für eine/n Klassensieger/in, die Gewinnertexte präsentiert. Viel Freude beim Lesen der kreativen Geschichten!  

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„Der Rucksack“ von Clara Twiefel

„Do you trust me?“ von von Lenie Kraft

„Warum“ von Mia Rose

„Wo ist sie nur“ von Felicitas Rösler

„Beste Freunde?“ von Lilli Schwarze

„Liebe auf dem Rasen“ von Louisa Böhme

Der Rucksack

„Achtung eine Durchsage: Der IC mit der Zugnummer 386 von Hamburg nach Flensburg hat eine Verspätung von 30 Minuten. Wir bitten Sie um Verständnis“, dröhnt es aus dem Lautsprecher des Hamburger Hauptbahnhofs.

Mira stöhnt: „Nicht schon wieder, warum muss das immer mir passieren!“ Denn beinahe hätte sie auch schon ihren Metronom verpasst, denn das Taxi, das sie zum Bahnhof fahren sollte, war einfach nicht gekommen. Ihr fiel nur die Möglichkeit ein, ihren Nachbarn um Hilfe zu bitten. Er ist ein pensionierter Steuerberater, zwar manchmal etwas grimmig, doch die beiden verstehen sich ganz gut. Mira ging eine Zeitlang für ihn einkaufen, als er nach einem schweren Autounfall im Rollstuhl saß. Doch trotzdem hatte sie die Hoffnung schon aufgegeben, denn sie hat nicht geglaubt, dass er für sie zu dieser frühen Zeit fahren würde, aber zu ihrer Überraschung war er sofort bereit, für sie das Frühstück ausfallen zu lassen und sie zum Bahnhof zu fahren.

Und nun schon wieder das Gleiche? „Wenn ich heute nicht rechtzeitig bei der Uni in Flensburg ankomme, werde ich dort doch nie angenommen“, spricht sie aus Verzweiflung zu sich selbst. „Man können 30 Minuten lang sein“, sie schaut immer wieder verzweifelt auf ihre Uhr, doch der Zug will einfach nicht kommen. An ihr hetzen die Leute vorbei und von der anderen Gleisseite schrillt der Pfiff von einem ICE.

Sie wartet und wartet und gibt die Hoffnung schon fast auf, als sie endlich ihren Zug sieht und in dem Moment passiert es: Ein junger Mann, so um die 20, nimmt im Vorbeigehen ihren Rucksack und rennt davon. Es passiert so schnell, dass Mira erst gar nicht realisiert, dass ihr Rucksack geklaut wurde. Als sie nach einigen Sekunden endlich realisiert, was gerade passiert ist, kommt auch schon ihr Zug am Bahnsteig zum Halten.

Was mach ich denn jetzt, hinterher? Oder den Zug nehmen? Wenn ich hinterherrenne, werde ich das Bewerbungsgespräch an der Uni verpassen… und wenn ich den Zug nehme, werde ich meinen Rucksack wohl nie mehr wiedersehen.

Sie überlegt im Schnelldurchlauf, was in ihrem Rucksack drinnen ist: Hose, Hoodie, Fahrkarte? Nein, die habe ich in der Hosentasche. Sie überlegt weiter: Buch, Federmappe, Brille, Schneekugel… Schneekugel!

Die Schneekugel aus Kalifornien, die sie bei ihrem letzten Sommertrip mit ihrem Freund Jan von ihm geschenkt bekommen hat, das war der letzte gemeinsame Urlaub, bevor Jan vor 7 Monaten an Krebs gestorben war. Die Kugel ist das Einzige, was sie noch von Jan hat oder besser hatte! Bei den Gedanken an Jan rollen ihr Tränen über die Wange, doch sie fängt sich schnell wieder, denn um zu trauern, ist jetzt keine Zeit! Plötzlich schreckt Mira zusammen, etwas hat sie an der Schulter berührt, sie dreht sich erschrocken herum und blickt in die braunen Augen eines großgewachsenen, sympathisch schauenden jungen Mannes. „Willst du deinen Rucksack nicht mehr haben, oder warum rennst du nicht hinterher?“, fragt er.

„Äh, doch, aber ich muss in den Zug und den Dieb hole ich doch niemals mehr ein“, sagt sie verzweifelt und traurig, doch der Mann lacht nur. Mira schaut ihn verdattert an: „Was ist denn daran lustig?“, fragt sie in einem leicht verwirrten Ton. „Naja, warte ab.“ Und schon rennt der junge Mann so plötzlich weg, wie er auch aufgetaucht war. Mira ist nun vollkommen verwirrt und beschließt, schweren Herzens ohne ihren Rucksack einfach in die Bahn einzusteigen, denn was bringt es ihr, wenn sie jetzt auch noch ihren Zug verpasst, der eh schon zu spät ist.

„Bitte halten Sie Abstand von den Türen“, schallt die Durchsage durch die Lautsprecher und nur wenige Sekunden später schließen die Türen und der Zug rollt langsam an und wird immer schneller, bis er den Bahnhof verlassen hat und nun Richtung Flensburg fährt.

Mira steckt sich einen Kopfhörer ins Ohr und probiert zu verarbeiten, was sie gerade erlebt hat. Warum hat jemand ausgerechnet ihren Rucksack geklaut und was hat der Mann, der auf einmal weggerannt ist, mit „Naja, warte ab“ gemeint?

Sie überlegt und überlegt, doch findet keinen sinnigen Zusammenhang und beschließt deshalb, sich nicht weiter den Kopf zu zerbrechen und ihren Rucksack schweren Herzens zu vergessen. Stattdessen schaut sie lieber nach vorne und ruft in der Uni an, um sie zu bitten, auf sie zu warten, denn schließlich konnte sie ja nichts dazu, dass erst das Taxi nicht gekommen ist und dann auch noch der Zug verspätet ist und zusätzlich noch ihr Rucksack geklaut wurde. Sie tippt die Nummer ein: 0561, doch weiter als zur Vorwahl kommt sie nicht, denn plötzlich spricht sie jemand an: „Entschuldigung, könnte es sein, dass dir vorhin etwas geklaut wurde?“, fragt er und hält ihr den Rucksack vor die Nase.

Mira traut ihren Augen nicht, denn vor ihr steht der Mann, der dem Rucksackdieb hinterhergerannt ist. „Äh… Wo kommst du denn her? Und wo hast du meinen Rucksack her?“ „Darf ich mich erst einmal setzen, es ist ziemlich wackelig hier in der Bahn?“, fragt er freundlich. „Oh, ja natürlich“, entgegnet Mira. „Ich heiße übrigens Tom.“ „Mira, ich heiße Mira.“ „So, und jetzt um deine Fragen zu beantworten: Dein Rucksack hat nur einige Meter weiter an der Seite gelegen. Der Dieb muss ihn wohl weggeworfen haben, als er gesehen hat, dass die Polizei ihm entgegenkommt. Und ich habe ihn dann geholt, und tada, hier ist er!“

Sie nimmt den Rucksack entgegen und bedankt sich. „Aber das erklärt nur, wie du den Rucksack wiederbekommen hast. Nicht aber, wie du es dann auch noch geschafft hast, den Zug zu bekommen.“ „Ich bin halt schnell“, sagt Tom lachend.

Und so erzählen die Beiden noch eine ganze Weile, während der Zug an Häusern, Feldern und Straßen vorbei braust.

„Aber eine Frage habe ich noch“, sagt Mira und unterbricht das Gespräch, das sie gerade noch geführt haben. „Ja?“ „Warum hast du das getan, also mir meinen Rucksack zurückgebracht und dafür riskiert, dass du deinen Zug verpasst?“ „Also, vor einiger Zeit ist mir mal was Ähnliches passiert, mir haben irgendwelche Jugendlichen mein Portemonnaie auf dem Wochenmarkt geklaut und mir ist damals niemand zu Hilfe gekommen. Und da habe ich mir vorgenommen, wann immer ich kann, anderen zu helfen. Außerdem muss ich doch einer Bekannten aus der Patsche helfen“, sagt er und zwinkert ihr zu. Mira starrt ihn noch verdatterter als vorhin, als er weggerannt war, an: „Wir kennen uns?“ „Das ist eine lange Geschichte“, erwidert Tom und fängt an zu erzählen…

von Clara Twiefel, 8b  

 

Do you trust me?

Die Sitzheizung lässt Aileen wieder etwas auftauen. Sie zittert immer noch, aber die wohlige Wärme breitet sich langsam in ihr aus. Doch die Kälte ist nicht nur der einzige Grund, warum sie zittert. Ihr Verstand ist zurückgekehrt und aus den Augenwinkeln betrachtet sie nervös und traurig ihren Fahrer. Seine Knöchel sind aufgeplatzt und er blutet an der Lippe. Sie hatte doch nur zu ihrer besten Freundin mit dem Bus fahren wollen, weil sie total aufgelöst gewesen war. Ihr ins Gesicht gelogen, das hatte er. Ihr verschwiegen, dass er sie nur benutzt hatte. Er war doch immer so lieb und freundlich, doch alles war nur Fassade gewesen. Aber heute hatte sie sein richtiges Gesicht gesehen, wie er wirklich war. Tränen bildeten sich nun in Aileens Augen und sie wandte sich ab, damit er sie nicht sieht. Das Auto hielt an einer roten Ampel und sie spürte den intensiven Blick des Mannes neben sich in ihrem Rücken. Aber sie will nicht nachgeben. Aileen will sich nicht umdrehen und die stumme und verletzende Wahrheit in seinen Augen lesen zu müssen. Dann würde sie hier und jetzt einfach in sich zusammenbrechen. „Aileen“, räuspert er sich, aber sie schüttelt bloß den Kopf. Nein, vor ein paar Stunden wollte sie ihm schon nicht zuhören, also wieso glaubt er das jetzt? Weil sie auf engstem Raum zusammensitzen? Doch unwillkürlich schleicht sich die Erinnerung an heute morgen in Aileens Gedanken… Sie hatten gefrühstückt, an ihrem gemeinsamen Küchentisch und auf die belebten Pariser Straßen geblickt. Aileen war glücklich mit ihm, Noah, ihrem Freund. Sie wohnten seit ein paar Wochen in diesem Appartement und nicht weit davon entfernt, arbeitete sie in einem kleinen Café. Bald würde sie mit ihrem Studium beginnen. Es lief alles perfekt, dachte sie heute Morgen. Zu perfekt… Kurz darauf hatte Noahs Handy geklingelt, aber er wollte nicht rangehen. Zu sehr war er mit dem Frühstücken beschäftigt. Allerdings hatte die Person eine Nachricht auf das Band gesprochen und bei den Worten war ihr das Blut in den Adern gefroren. Es war Noahs bester Freund gewesen, der gefragt hatte, wann er Aileen denn endlich von der Wette erzählen wollte. Er hatte gesagt, dass es nun langsam reiche und er ihr Herz doch sowieso schon in der Tasche habe. Außerdem meinte er, er hätte Respekt ihm gegenüber, dass er es tatsächlich geschafft hatte, sie rumzubekommen. Zum krönenden Abschluss sagte er auch noch, dass Noah das Geld, um das sie gewetteten hatten, bald bekommen werden würde. Dann hatte Aileen nur noch ein Piepsen im Ohr wahrgenommen und Noah mit großen Augen angestarrt. Dieser war ganz bleich geworden. Genau wie jetzt grade, als sie sein Gesicht in der Fensterscheibe sieht. Sie will und kann nicht mit ihm reden, das hatte er anscheinend gemerkt. Er hatte alles zerstört! Sie hatte sich ihm anvertraut, ihm erzählt, wovor sie sich am meisten fürchtete, was sie liebte und hasste, ihre größten Geheimnisse, alles! Und dann hatte er ihr Vertrauen missbraucht und es gebrochen. Alles war mit einem Schlag kaputt, nur wegen einer beschissenen Wette. Sie bedeutete ihm nichts… „Aileen bitte, ich…“, fing er wieder an, als sie weiterfuhren. Mit einer Hand rauft er sich die Haare, diese wunderschönen blonden Haare, in denen sie ihre Hände ebenfalls des Öfteren vergraben hatte. Noah blickt sie flehend an, als sie ihr Gesicht ein wenig in seine Richtung dreht. Tränen laufen über ihre Wangen. Sie erinnerte sich weiter, dass sie, nachdem sie die Nachricht gehört hatte, ihn fragte, ob es stimmte. Er war unfähig gewesen zu antworten. Sie dachte, er wäre der freundliche und nette Mann, den sie bei einer Party kennengelernt und angesprochen hatte. Großer Irrtum! Seine Freunde lachten sich vermutlich schon seit einer halben Ewigkeit dumm und dämlich über sie und ihre Blindheit. Aileen war ihm verfallen, ganz und gar. Sie war aufgestanden, er ebenfalls, sie hatte sich ihre Schuhe und Jacke angezogen und ihre Tasche gekrallt. Er hatte sie angefleht zu bleiben, hatte gesagt, er habe nicht mit ihr gespielt, es sei alles ein großes Missverständnis. Aber sie wollte nichts hören. Sie hatte die Haustür zugeschmissen, war hinaus gelaufen in die eisige Kälte des Wintermorgens und wollte nur zur nächsten Busstation. Unterwegs hatte sie bitterlich geweint, sie wusste nicht, in welche Richtung sie lief. Dann war sie gradewegs in ein paar Alkoholiker gelaufen. Es war nicht komisch, dass sie hier waren, in einer Großstadt war das üblich, aber schlagartig hatte sie noch mehr geweint. Aileen hatte einfach weitergehen wollen und damit ihrer aufsteigenden Panik keinen Grund geben müssen, doch einer der Männer hatte sie festgehalten. Sie hatten sich im Kreis um sie gestellt. Vier gegen eine. Dann war ihre Panik größer denn je gewesen. Benommen hatte sie mitbekommen, wie ein Auto angehalten hatte und die vier Typen unwillkürlich und sehr rasant auf dem Boden bewusstlos neben ihr lagen. Vor Schreck war sie direkt in ihr sehr bekannte Arme gesprungen, die sie behutsam ins Auto manövriert hatten. Das war wieder eine Seite, die sie von Noah nicht kannte. Nun sitzt sie neben ihm und ist noch aufgelöster als bei Beginn der Fahrt. „Ich wollte nicht, dass du es so erfährst“, beginnt Noah nun zum dritten Mal und jetzt war es ihm egal, ob Aileen zuhören will oder nicht. Er parkt das Auto am Rand und blickt ihr fest in die Augen. „Anfangs, das gebe ich zu, war es tatsächlich nur eine Wette. Ich wollte eine Zeitlang mit dir spielen und dich dann fallen lassen. Mir war egal, ob dir das wehtun würde. Aber nachdem wir uns ein paar Mal getroffen hatten und du dich mir immer mehr anvertraut hast, hatte ich gemerkt, dass ich diese Idee nicht mehr gut fand. Ich war verwirrt und wütend, gab dir die Schuld. Ich habe nicht ganz verstanden, wieso du mir plötzlich wichtig warst. Aber nach einer Weile hatte ich gemerkt, dass ich mich in dich verliebt habe, Aileen. Und ich bereue es zutiefst, dass ich dich so hintergangen habe und du anfangs nur der Sinn und Zweck einer dummen Wette warst. Ich weiß, du wirst mir nicht verzeihen, das kann ich ebenfalls nicht, aber ich schwöre dir, dass ich dich liebe und keine Entschuldigung der Welt kann den Fehler, den ich gemacht habe, wieder geradebiegen.“ Nach seinem Geständnis sieht sie ihn schweigend an. Eigentlich sollte Aileen ihn hassen und hier und jetzt einen Schlussstrich ziehen. Aber so einfach war das nicht. Man konnte nicht einfach von heute auf morgen seine Gefühle ausknipsen oder sie wegwerfen. Es dauerte. Andererseits hatte Noah sie vor diesen ekelhaften Typen gerettet und ihr graute davor, was passiert wäre, wenn er nicht gekommen wäre. Er hatte sie gerettet, obwohl sie doch eigentlich nur eine einfache Wette war und sie ihm egal sein sollte. Er hatte ihr gestanden, dass er sie wirklich liebte und sich mehr oder weniger entschuldigt. Was also soll sie tun? Er sieht ihr in die Augen, sie starrt zurück. Haselnussbraun trifft auf Meeresblau. Er bereut es, er liebt sie. Reicht das wirklich aus? Aileen liest die stumme Bitte in seinen Augen, ihm eine zweite Chance zu geben. Er hatte sie verletzt, sehr verletzt… Und dennoch, dennoch klammert sie sich an diese verdammte Hoffnung, irgendwann wieder mit ihm glücklich zu werden. „Ich brauche Zeit, dir wieder zu vertrauen, Noah“, ist ihre einzige Antwort. Hoffentlich kein Fehler. Eine Träne bahnt sich einen Weg über sein Gesicht und Aileen fängt sie auf. Er nickt heftig und flüstert: „Und ich werde alles dafür tun, damit du es nicht bereust!“ Dann fährt er schweigend von dem Parkplatz runter und nimmt vorsichtig ihre Hand. Sie fahren weiter durch die belebten Straßen Paris, der Stadt der Liebe.

von Lenie Kraft, 8b  

 

Warum?

Sie steht unschlüssig vor dem Regal und überlegt. Gerade hatte ihre Mutter noch gemeint, sie solle endlich damit aufhören. Aber wie aufhören, wenn sie es doch so brauchen? Genau das hatte Mara ihre Mutter gefragt. Wie aufhören, wenn es doch überall so knapp ist? Danach war sie noch schnell in ihr Zimmer gerannt, welches sie sich mit ihrer Schwester teilte, hatte sich ihren schwarzen Kapuzenpullover übergezogen, ihr Handy auf stumm geschaltet und war davongelaufen. So wie jedes Mal, wenn sie es tat. Das Klauen. Wie sie das hasste. Aber ihre Familie braucht die Lebensmittel, die Klamotten und andere Dinge wie Schulsachen. Jetzt steht Mara wieder unschlüssig vor dem Regal und denkt nach. Ein Pullover für ihre kleine Schwester soll es diesmal sein. Ganz am Anfang waren es nur kleine Sachen wie Stifte oder mal ein Apfel. Beim ersten Mal hatte Mara sich so schlecht gefühlt, dass sie kurz vor dem Ausgang wieder zurückgekehrt ist. Aber dann hatte ihr älterer Bruder Joe ihr gezeigt, dass es ganz einfach war, nicht bemerkt zu werden. Als Mara das merkte, nahm sie all ihren Mut zusammen und ging mit dem Apfel in der Tasche durch den Ausgang. Und tatsächlich war nichts passiert. Danach hatte Mara immer weitergemacht. Warum muss sie nur jetzt so lange überlegen? Sie ist bestimmt schon auffällig und wird dann am Ausgang noch kontrolliert. Vielleicht liegt es daran, dass ihre Mutter gerade gesagt hatte, dass sie bald eine andere Möglichkeit haben werden, sich Sachen zu kaufen oder diese auf legalem Weg zu bekommen. Ihre Mutter hatte immer wieder versucht, sie und ihren Bruder vom Klauen abzuhalten – aber vergebens. Einmal hatte Mara zwei Wochen Hausarrest bekommen. Aber das hatte sie nicht davon abgehalten, weiter zu klauen. Als ihre Mutter dies sagte, dachte Mara einen kurzen Moment wirklich daran, aber dann musste sie daran denken, wie es ihnen das letzte Mal ergangen war: Ein Bekannter der Familie hatte ihnen sehr große Hoffnungen gemacht. Er meinte, dass er ihnen viel Geld leihen könne. Sie müssen nur am Anfang im Voraus etwas zahlen. Ihre Mutter hatte alle Ersparnisse „zusammengekratzt“, um zu zahlen. Aber das versprochene Geld war nie angekommen. Nun hatten sie gar nichts mehr. Mittlerweile ging es ihnen zwar einigermaßen besser, aber noch lange nicht so gut, dass sie richtig leben können. Wieder überlegt Mara: Soll sie, oder soll sie nicht? Eigentlich ist es jetzt auch schon egal, sie würde auffliegen. Aber warum geht sie jetzt nicht? Warum muss sie es sich so schwer machen? Möchte sie noch einmal erwischt werden? Nein. Das war ihr beim letzten Mal so unangenehm gewesen, als der Ladendetektiv sie aufgefordert hatte, ihre Tasche zu leeren. Und das vor all den Leuten. Danach hatte sie erstmal aufgehört mit dem Klauen. Aber es ging einfach nicht ohne. Sie brauchten die Sachen. Und jetzt soll angeblich wieder Hilfe kommen? Das konnte Mara nicht mehr glauben. Sie hatte ihrer Mutter nicht mal mehr richtig zugehört, war einfach nur gerannt. „Es geht um deinen Vater, Mara“, hatte ihre Mutter gesagt. „Na und?“, hatte Mara sich gedacht und gesagt hatte sie: „Von ihm will ich nichts hören, er ist mir egal. Er hat uns sitzen gelassen, als wir ihn am meisten brauchten!“ „Das dachte ich ja auch immer, aber …“, Mara ließ ihre Mutter gar nicht erst ausreden. Jetzt ärgert sie sich doch ein wenig, dass sie nicht richtig zugehört hatte. Vielleicht konnte er wirklich helfen? Nein, das kann einfach nicht sein. Er war doch auf einmal verschwunden. Damals als sie gerade erst zwölf gewesen war. Einfach so. Seinetwegen mussten ihr Bruder und sie doch erst anfangen zu stehlen. Nie wieder hatten sie etwas von ihm gehört. Er war einfach verschwunden und das auch noch mit viel Geld. Das dachte ich ja auch immer, aber… Genau das hatte ihre Mutter gesagt. Aber warum? Warum war er dann einfach weg, wenn er sie nicht hat sitzen lassen? Was soll ihm denn passiert sein? Die Polizei hatte keine Vermisstenanzeige aufgegeben – ein erwachsener Mann, der Geld mitnimmt und seine Familie alleine lässt, ist nicht allzu selten. Einen Unfall in ihrer Nähe hatte es an dem Tag nicht gegeben. Was also soll anders gewesen sein? Hatte er vergessen, wo sie wohnten? Niemals. Mara musste jetzt weg, dass wusste sie nur zu gut. Aber sie konnte nicht. Sie merkte, dass es in ihren Augen anfing zu brennen. Sie weinte doch jetzt nicht ernsthaft wegen ihres Vaters? Sie hatte sich doch immer geschworen, ihn zu vergessen. Und jetzt konnte sie es nicht mehr. Alles kam zurück, die Traurigkeit, die Armut, die Verletztheit und die Zweifel. Warum? Warum nur? Das hatte Mara sich seit diesem Tag immer wieder gefragt. Warum? Ein Räuspern ließ Mara aus ihrer Starre erwachen: „Was machst du da?“ Den Ladendetektiv hatte sie gar nicht bemerkt. „Ich, ich …“, Mara wusste nicht, was sie sagen sollte, „ich weiß es nicht.“ Der Ladendetektiv guckte sie misstrauisch an. Ob er ihre Tränen sah? Bestimmt. Aber das war ihr jetzt auch egal. Alles war ihr egal. Sollte ihr Vater doch kommen und sie retten. Das tat er eh nicht. Sollten sie noch mehr Armut in ihrem Leben haben? Mara wollte das nicht. Jetzt ist ihre Schwester fünf. Damals gerade erst geboren. Sie sollte das nicht mitbekommen. „Hallo?“, den Ladendetektiv hatte sie wieder vergessen. Aber noch hatte sie sich nichts zu Schulden kommen lassen. Entschlossen blickte sie auf. Und sah ihn. Sofort erkannte sie ihn. Er hatte ihre Augen und ihre Nase. Der Mann, den sie seit dem Tag an so hasste. Der, der für das „Warum?“ verantwortlich ist. Ihr Vater.

von Mia Rose, 8c  

 

Wo ist sie nur?

Der Wecker klingelt. Marie steht auf und gähnt, sie ist müde, es ist erst 6:00 Uhr. Sie geht in das Zimmer ihrer Mutter, sie ist nicht da. Marie zuckt mit den Schultern. Sie denkt, dass ihre Mutter schon in der Küche ist und Essen macht.

Im Bad wundert sie sich, warum der Kamm ihrer Mutter fehlt und die Zahnbürste ist auch verschwunden. Marie putzt sich die Zähne und wäscht ihr Gesicht. Danach fängt sie an, ihre Mutter zu suchen. Sie ist nicht da. Ihr Bruder Max schläft auch noch. Sie weckt ihn auf und fragt nach ihrer Mutter. „ich weiß auch nicht, wo sie ist“, sagt Max. Marie macht sich Sorgen, wo kann sie nur sein?

Sie ruft ihre Mutter mit ihrem Handy an, doch niemand hebt ab. Sie versucht es nochmal, aber es nimmt wieder keiner ab. Sie schreibt eine Nachricht: „Wo bist du?“ Max kommt: „Ich habe Hunger, wo ist Mama denn?“ Sie sieht ihn gereizt an: „Ich weiß es nicht. Ich habe sie überall schon gesucht.“ Sie schluckt. „Ich mache jetzt erst mal Essen, danach ist sie bestimmt wieder da.“

Während der Haferbrei vor sich hin köchelt, geht Marie noch mal in das Zimmer ihrer Mutter. Dort fällt ihr auf, dass die Kleidung ihrer Mutter weg ist. „Kann das sein?“, fragt sie sich. Hat ihre Mutter sie im Stich gelassen? Sie geht wieder in die Küche und rührt den Haferbrei um.

Vor zwei Jahren saßen sie alle am Tisch. Ihre Mutter stand am Herd und machte Pfannkuchen. Nebenbei guckten sie ihre Lieblingsserie und lachten viel. Sie waren glücklich. „Was hatte sich verändert?“, fragte Marie sich. Marie und Max essen Frühstück. Danach ziehen sie sich an und Marie bringt ihren Bruder in die Grundschule. Vor einem Jahr ging sie dort auch noch hin. Ihre Mutter brachte sie immer und auf dem Weg holten sie sich Brötchen beim Bäcker. Marie ist traurig. Wo ist sie nur?

Nachdem sie Max in seine Klasse gebracht hat, fährt sie wieder nach Hause, sie möchte heute nicht in die Schule. Sie setzt sich vor den Fernseher und versucht noch ein paar Mal, ihre Mutter zu erreichen. Nach dem fünften Versuch gibt sie es genervt auf. Warum meldet sich ihre Mutter nicht? Wäre ihr etwas passiert, hätte man Marie sicher angerufen.

Sie konzentriert sich auf den Film. Um 11 Uhr fängt sie an, Lasagne zu machen. Ihre Mutter ist immer noch nicht da und hat sich auch nicht gemeldet. Danach holt sie ihren Bruder bei der Schule ab. Er hat eine Eins in Deutsch geschrieben. Marie muss an ihre Mutter denken, vor sechs Monaten hatte sie auch eine Eins geschrieben und sie waren alle gemeinsam essen gegangen. Max scheint an das Gleiche zu denken. „Ist Mama wieder da?“, fragt er. Marie antwortet leicht geknickt: „Nein, noch nicht. Aber sie kommt bestimmt noch.“ Aber in Wirklichkeit bezweifelt sie das.

Zuhause essen sie Mittag. Um drei Uhr muss Marie zu ihrer Nachhilfe und sie macht sich Sorgen, dass ihre Mutter genau dann wiederkommt, wenn sie gerade weg ist. Also legt sie einen Zettel auf den Tisch, auf dem steht: „Wo warst du? Ruf mich bitte an.“ Als sie um sechs Uhr zuhause ist, ist ihre Mutter immer noch nicht da.

Sie hört Max in seinem Zimmer spielen und fängt an, Nudeln zu kochen. Eine halbe Stunde später sitzen Max und Marie am Esstisch, als sie auf einmal einen Schlüssel im Schloss hören. Sie springen von ihren Stühlen auf und laufen zur Haustür. Dort steht ihre Mutter. Marie fragt: „Wo bist du gewesen?“

von Felicitas Rösler, 8e  

 

Beste Freunde?

Anna starrt aus dem Fenster und guckt in die hochstehende Sonne. Nach einigen Sekunden blendet sie die Sonne so sehr, dass sie nur weggucken kann. Ihr Blick fällt auf eine Tasche, die an ihrer Tür hängt und sofort erinnert sie sich an den Moment, als sie die Tasche bekommen hat. Die Sonne ging wieder auf und Anna saß noch immer mit ihrer besten Freundin Mona am See. Sie hatten die ganze Nacht geredet, getanzt und gesungen. Noch nie in ihrem Leben hatte sie so viel Spaß wie in dieser Nacht. Als die beiden wieder zurückfahren wollten, riss Anna ihre Tasche und Mona schenkte ihr eine zweite Tasche, die sie mithatte. Anna spürt, wie sie langsam anfängt zu lächeln. Sie beschließt, aufzustehen und Bilder von Mona und ihr aus einer Schublade zu holen. Es sind bestimmt über 70 Fotos von den beiden, die früher noch Annas Wand zierten. Das erste Foto ist eins von Annas sechstem Geburtstag. Es war kurz nach ihrer Einschulung, bei der sie Mona das erste Mal traf und die beiden direkt beste Freunde wurden. Mona war auf jedem von Annas Geburtstagen. Es war fast schon Tradition. Nach ein paar Minuten ist sie beim letzten Foto angekommen. Sie kann sich noch genau an diesen Moment erinnern. Bei den Gedanken an diesen Tag verschwindet ihr Lächeln langsam. Der Tag hat schön angefangen. Sie sind zusammen shoppen gegangen und waren danach essen in einem neuen Restaurant. Schnell bemerkte Anna, dass etwas mit Mona nicht stimmte. Sie war ruhiger als sonst. Anna fragte sie, was los sei und sie antwortete: „Meine Mutter hat einen neuen Job gefunden.“ „Aber das ist doch eigentlich gut, oder nicht?“, erwiderte Anna. Danach erklärte Mona ihr, dass sie und ihre Familie ans andere Ende des Landes ziehen müssen. Anna wusste nicht, was sie sagen sollte. Die Zwei saßen ungefähr zehn Minuten da, ohne ein Wort zu sagen. Anna dachte, dass sie vermutlich etwas Aufmunterndes hätte sagen sollen, aber ihr fiel nichts ein. Ihre Augen füllen sich mit Tränen. Sie ist immer noch traurig, dass Mona weggezogen ist, auch wenn es mittlerweile schon acht Monate her ist. Sie haben sich geschworen, Kontakt zu halten. Doch das ist auf Dauer gar nicht so leicht. Mona sagte, dass sie an Annas Geburtstag kommen wird und Anna freute sich wie ein kleines Kind. Sie wartete am Bahnhof auf Mona, doch sie kam und kam nicht. Anna schaute immer wieder auf ihr Handy und rief Mona an. Sie meldete sich nicht. Seitdem hat Anna nichts mehr von ihrer eigentlich besten Freundin gehört. Tränen laufen ihr Gesicht runter. Sie kann nicht aufhören, Fotos von ihnen beiden anzugucken. Ihr fällt ein, dass sie auf ihrem alten Handy noch sehr viele Fotos und Videos von den Zweien hat. Also rafft sie sich auf und holt ihr Handy. Sie muss es einige Minuten laden lassen. Als sie es anschaltet, bekommt sie eine Nachricht von Whatsapp, die lautet: „Sie haben 52 ungelesene Nachrichten und 13 verpasste Anrufe“. Anna wundert sich, denn sie hat eigentlich allen gesagt, dass sie an ihrem Geburtstag ein neues Handy und auch eine neue Nummer bekommen hat. Mit ihrem Finger tippt sie gespannt auf die Benachrichtigung. Was sie sieht, kann sie nicht fassen! Die Nachrichten sind von Mona. Sie denkt daran, dass sie Mona aus Wut, dass sie nicht gekommen war, ihre neue Nummer nicht gegeben hat. In der ersten Nachricht steht: „Es tut mir leid, ich kann nicht kommen, mein Bruder hatte einen Unfall. Nichts Schlimmes, aber ich kann hier nicht weg.“ In Monas nächster Nachricht steht: „Ich weiß nicht, warum meine Nachricht erst jetzt, ein paar Tage später, ankommt. Es tut mir so leid.“ Anna weiß nicht, wie sie reagieren soll. Mona hatte einen Grund, nicht zu kommen. Einen guten. Anna sagt zu sich selbst: „Ich Trottel bin nie auf die Idee gekommen, noch mal auf mein altes Handy zu gucken, ob sie mir schreibt. Ich fühle mich, wie der dümmste Mensch der Welt.“ Nachdem sie sich alle Nachrichten von Mona durchgelesen hat, schaut sie raus. Die Sonne geht langsam unter. Anna ist sich unsicher, ob sie Mona anrufen und sagen soll, dass alles nur ein Missverständnis war. „Mona würde mich vermutlich hassen. Es wäre trotzdem besser, ihr die Wahrheit zu sagen, auch wenn sie mir vielleicht nicht verzeiht. Ich meine, was tut man nicht alles dafür, eine Freundschaft zu retten?“, denkt sich Anna. Sie überwindet sich und ruft Monas Nummer an. Es piept dreimal und dann geht nur die Mailbox ran. Anna denkt, dass Mona wohl nicht mit ihr sprechen will. Und das kann Anna mehr als gut verstehen. Ohne groß drüber nachzudenken, packt sie eine Tasche, nimmt etwas Geld aus ihrer Spardose und schreibt einen Zettel an ihre Mutter, auf dem steht: „Mach dir keine Sorgen! Ich muss etwas Wichtiges erledigen.“ Anna verlässt das Haus und rennt zum Bahnhof. Sie steigt in den nächsten Zug, der in die Richtung von Mona fährt. Anna ist es egal, dass sie morgen eigentlich Schule hat. Es gibt Dinge, die sind wichtiger als das, denkt sie sich. Nach einigen Stunden Anreise ist sie da. Sie steht tatsächlich vor Monas Haustür. Ein braunhaariges Mädchen macht die Tür auf, es ist Mona. Aus Annas Mund kommt nur ein „Das tut mir alles so leid“ raus.

von Lilli Schwarze, 8f  

 

Liebe auf dem Rasen

Meine beiden Augen gucken gespannt auf das laufende Fußballspiel vor mir. Ich sitze mit meiner besten Freundin Amy in der ersten Reihe und jubele unserer Lieblingsmannschaft zu. Wir beide lieben die gleiche Mannschaft, den SV Altenburg U16. Der Sportplatz in unserer Stadt ist rappel voll und die Zuschauer applaudieren ihren Mannschaften zu. Von links und rechts höre ich durch meine Ohren rasende Musik und tobende Menschen. Die Spieler laufen über das große Spielfeld und versuchen, den Ball für sich zu erobern.

Ich sehe vorne am Tor meinen Freund, er spielt im Sturm und ist für mich der beste Stürmer. Er heißt Tim und wohnt nur zwei Straßen weiter. Da komme ich wieder auf den Gedanken zurück, wie wir uns kennengelernt haben. Es war ein heißer Sommertag, die Sonne brannte auf meiner Haut und meine beste Freundin und ich hatten einen perfekten Nachmittag geplant. Der Plan war wie folgt, wir wollten an unseren geliebten See fahren, wo wir die meiste Zeit zusammen verbrachten. Anschließend wollte Amy zu einem Fußballspiel gehen, ich hatte wenig Interesse daran, doch trotzdem ließ ich mich leicht überreden, da ich ja selber in einer Mannschaft spiele und Fußball liebe. Plötzlich tippt mich meine Freundin an der Schulter an und ich bin wieder beim laufenden Spiel heute. Sie bietet mir mit einer Handbewegung eine Wasserflasche an. Ich glaube, man sieht von der Seite meinen durstigen Gesichtsausdruck. Mein Freund Tim ist in dem gleichen Moment, als ich meine Flasche an den Mund ziehe, vor dem Tor, um den Ball ins Netz zu hauen. 20 Sekunden später steht jeder auf unserer Tribüne, jubelt und schreit zu dem 2:0. Auch meine Freundin und ich stimmen direkt in den Chor mit ein. „JUHU!!!“, schreie ich durch den ganzen Sportplatz. „Juhu“, war das Wort welches ich auch an unserem heißen Sommertag von vor einem Jahr gerufen habe, dem Tag wo sich mein Leben in eine wunderbare Richtung wendete. Amy und ich gingen also an diesem Tag auf den großen Sportplatz, nachdem wir uns im kalten See eine fette Abkühlung geholt hatten. Mit meinen nassen braunen Haaren betrat ich mit einem mulmigen Gefühl den Eingangsbereich des Sportplatzes. Auf dem grasgrünen Feld liefen sich schon einige Spieler warm und auch die Zuschauer versammelten sich langsam auf ihren Plätzen. Die letzten holten sich noch kurz eine kalte Cola oder ein leckeres Eis. Amy und ich saßen schnell auf unseren Lieblingsbänken und grübelten über die Mannschaftsaufstellung nach. Kurze Zeit später stand der Schiedsrichter auch schon auf dem Feld, die Spieler versammelten sich und die erste Halbzeit in der prallen Sonne begann. Da reißt mich meine Freundin auch schon wieder aus meinen Gedanken und ich habe komplett vergessen, wo ich eigentlich bin und über was ich gerade nachdenke. Sie zeigt auf das immer noch spannende Spiel vor uns hier und heute. Die Gegner sind wirklich gut und der SV Altenburg muss stark gegenhalten. So war es auch damals, letztes Jahr, an dem von Sonnenstrahlen beglückten Tag. Die Spieler aus unserer Mannschaft waren völlig am Ende, doch trotzdem schafften sie es, irgendwie weiter zu kämpfen. Meine beiden Augen waren aber die ganze Zeit nur auf eine Person fixiert. Eine Person, die ich zu diesem Zeitpunkt fast gar nicht kannte. Der Stürmer, der ein Lächeln aus Gold hatte und der nur zwei Straßen weiter weg wohnte. Sein Name war Tim und er spielte noch nicht lange in dieser Mannschaft. Da die meiste Zeit meine aufgerissenen Pupillen fest an seinen trainierten Beinen hingen, fiel es mir sofort auf, dass ein Gegenspieler mit raspel kurzen schwarzen Haaren sich gefährlich näherte. Meine Vermutung war richtig, dass er keine guten Absichten hatte und Tim nur schaden wollte. Denn plötzlich kam von dem Gegenspieler das rechte Bein scharf in Tims linken Fußknochen und Sekunden später lag er auf dem Boden. Kurz vor dem Pfiff des Schiedsrichters hörte ich ein lautes Schreien von Tim und dann war kurze Zeit alles totenstill. Sowas passierte eigentlich öfter, aber diesmal sah es sehr schmerzhaft aus. Wie ein Geistesblitz schoss es mir in den Sinn aufzustehen und zu ihm zu rennen. Ich sprach meinen Gedanken laut aus und wartete erst gar nicht auf die Reaktion meiner besten Freundin Amy. Gesagt, getan. Ich sprang mit voller Energie, aber auch ein bisschen Angst auf und lief über das Feld. Um Tim herum standen schon einige Spieler und ich drängte mich zwischen Schweiß und großen Jungs durch. Bei dem Gestank war es schwer für mich, einen klaren Gedanken zu fassen. Auch der Trainer war mittlerweile da, aber ich wusste sofort, was zu tun war. Mein Vater arbeitet im Krankenhaus und kennt sich gut mit solchen Fällen aus. Als ich noch kleiner war, hat er mir immer gezeigt, was man tun muss, bei ganz unterschiedlichen Situationen. Einmal hatte ich sogar einen Erste-Hilfe-Kurs belegt, daher war ich perfekt vorbereitet. Tim bekam schwer Luft, woraufhin ich ihm ein paar gute Tipps gab. Aber auch seinen Knöchel habe ich so gut, wie es ging, behandelt, bis der Krankenwagen kam. Da dies noch nicht der Fall war, gab ich ihm meine Wasserflasche, damit er in der Hitze nicht komplett austrocknete. Er schenkte mir ein nettes Lächeln, was direkt mein Herz berührte. Fünf Minuten später kam dann endlich der Krankenwagen und Tim wurde professionell behandelt. Ich bekam von vielen Leuten noch eine Umarmung für mein Handeln und von den Ärzten ein Dankeschön. Der Knochen musste operiert werden und ein paar Monate später war ich wegen dieser für ihn blöden Situation mit Tim ein glückliches Paar. Schon wieder wurden meine verträumten Gedanken durch den Schlusspfiff des Schiedsrichters weg gepfiffen und das heutige Spiel endet 3:1 für den SV Altenburg. Meine beste Freundin und ich jubeln und laufen über das Spielfeld zum Feiern mit der Mannschaft. Mit dem größten Lachen im Gesicht laufe ich meinem blonden Freund in die Arme und gebe ihm meine Wasserflasche.

von Louisa Böhme, 8g