Schreibwerkstatt der 8. Klassen

Der Jahrgang 8 hat in diesem Jahr wieder an einer gemeinsamen Schreibwerkstatt im Fach Deutsch teilgenommen. In den Klassen 8a,b,d,e und f sind nun die jeweiligen Klassensiegertexte gekürt worden. Allein oder zu zweit wurde von allen Schülerinnen und Schülern eine eigene Kurzgeschichte verfasst. Als Vorlage diente in diesem Jahr die Kurzgeschichte „Die Klavierstunde“ von Gabriele Wohmann, die einen ganz eigenen Stil aufweist, an dem sich alle Schülerinnen und Schüler orientiert haben. Ein gemeinsames Thema wurde zum ersten Mal nicht vorgegeben. Außer hier auf IServ findet ihr die Ergebnisse ab nächster Woche zusätzlich in der Bibliothek ausgestellt. Viel Spaß beim Lesen!

Eine tragische Wendung
Sie lag mit geschlossenen Augen in ihrem Krankenbett, während Sonnenstrahlen durch das Fenster in ihr Gesicht schienen. Blumen und andere Präsente standen neben ihr auf einem kleinen Tisch. Sie erholte sich gerade von ihrer Gehirnoperation und alles schien in Ordnung zu sein. Sie fühlte sich lediglich schlapp und müde und ihr Kopf dröhnte ein wenig. Es herrschte Stille.

Er rannte umher, musste sich um acht Intensivpatienten gleichzeitig kümmern. Er war überfordert. Wie sollte er das schaffen? Schweißperlen liefen ihm über die Stirn. Seine Hände zitterten vor Anspannung. Er kam in ihr Zimmer.

Sie öffnete ihre Augen, alles war etwas verschwommen und sie sah den Assistenzarzt hektisch hin und her laufen. Eine kalte Brise wehte durch das leicht geöffnete Fenster und streifte ihr Gesicht. Nach ein paar Sekunden wollten ihre Augen wieder zu fallen. Das taten sie dann auch. Sie merkte wie schlapp und müde sie immer noch war. Wie lange musste sie bloß noch im Krankenbett bleiben. Sie wollte endlich nach draußen und das schöne Wetter genießen. Ihre Gedanken wurden durch eine leise Stimme unterbrochen. Sie verstand nicht viel, doch als sie ihre Augen ein wenig öffnete, sah sie ein Blutdruckmessgerät.

Während er ihr das Blutdruckmessgerät anlegte, zitterten seine Hände immer noch ein wenig. Das Gerät gab einen leisen Piepton von sich.

Ein Engegefühl umschloss sie. Ihr Gesicht verzog sich leicht und der Druck an ihrem Arm wurde größer. Nach kurzer Zeit hörte sie wieder eine leise Stimme und der Druck ließ nach. Nass geschwitzte Hände berührten ihren Arm. Das Gerät wurde ihr abgenommen.

Die Werte waren in Ordnung. Also verließ er das Zimmer und ging zu einer anderen Patientin. In seinem Kopf schwirrten tausende Gedanken. Hoffentlich nimmt dieser Tag schnell ein Ende!

Ihr Herz schlug ruhig, ihr Atem war gelassen und es schien, als würde es ihr bald besser gehen. Ihre Müdigkeit ließ nach und sie konnte ihre Augen ein wenig öffnen. Dennoch spürte sie, dass noch nicht alles gut war, da sie immer noch verschwommen sah und ein merkwürdiges Gefühl in ihrem Kopf spürte.

Langsam beruhigte er sich. Mit den Patienten lief alles ganz gut. Seine Hände waren nicht mehr schwitzig. Doch plötzlich, ein lauter Schrei. Er zuckte zusammen.

Sie riss ihre Augen auf. Tränen stiegen ihr in die Augen. Schmerz breitete sich von ihrem Kopf bis in den ganzen Körper aus. Es fühlte sich an wie tausende Stecknadeln. Ihr Herz schlug schneller. Ihre Augen fielen wieder zu. Sie konnte kaum atmen. Sie wollte um Hilfe rufen, doch es ging nicht.

Nach kurzer Stille begriff er, so ein Schrei kann nichts Gutes bedeuten. Hektisch rannte er los. Panik brach in ihm aus. In seinen Gedanken sah er das Schlimmste.

Mit aufgeregter Stimme rief er einen Arzt herbei. Doch keiner kam. Er realisierte, dass er auf sich allein gestellt war, denn alle Chefärzte waren bereits mit anderen Notfällen beschäftigt. Das durfte nicht sein. Er kam in ihr Zimmer und erschrak, als er sie sah.

Ihr wurde schwarz vor Augen. Sie spürte einen Teil ihres Körpers nicht mehr. Der Druck in ihrem Kopf stieg immer und immer mehr an. Ein Gefühl von Übelkeit breitete sich in ihrem Körper aus. Sie erbrach.

Er versuchte sie in die stabile Seitenlage zu bringen. Dann blickte er auf den Monitor. Die Werte waren sehr schlecht. Er wusste, ein winziger Fehler von ihm konnte ihr Leben beenden. Aufgrund der Gehirnoperation dachte er an eine Hirnblutung. Also öffnete er ihre Augen und stellte fest, dass ihre Pupillen ungleiche Größen hatten. Dies und das Erbrechen waren Symptome für eine Gehirnblutung. Ihm blieb also nur noch wenig Zeit. Er rief erneut um Hilfe. Doch es kam immer noch keiner. Mit dieser Situation war er komplett überfordert und wusste sich nicht zu helfen. Er sah wie ihre Werte noch schlechter wurden. Ihm fiel in diesem Moment nichts Besseres ein, als sie zu beatmen.

Ihr ganzer Körper zog sich krampfartig zusammen. Sie spürte fast nichts mehr. Nur ein komisches, unangenehmes Gefühl im Hals. Er sah, dass sich ihr Körper nicht großartig regte und rief in voller Verzweiflung nochmals um Hilfe. Und dann. Ein kleiner Funken Hoffnung trat in ihm auf, als er die Stimme von einem der Chefärzte hörte. Er war erleichtert, dass er jetzt nicht mehr auf sich allein gestellt war.

Der Arzt kam ins Zimmer gestürmt, warf zuerst hektisch einen kurzen Blick auf die Patientin, dann einen kurzen Blick auf ihre Werte.

Als er die verzweifelten Blicke des Arztes bemerkte, löste sich seine Hoffnung gleich wieder in Luft auf. Er wollte kurz die Situation schildern, wurde aber sofort vom Chefarzt unterbrochen.

Schnell bereitete dieser die Patientin vor, um sie in den Operationssaal zu bringen.

Sie hatte kein richtiges Bewusstsein mehr. Sie fühlte sich so schwach wie nie zu vor. Ihre Werte wurden immer schlechter. Sie eilten über den Flur. Alle machten ihnen den Weg frei. Sie mussten sich sehr beeilen. Jede Sekunde zählte. Es ging um Leben und Tod.

Er fühlte sich unendlich schlecht. Er hätte die Situation besser unter Kontrolle haben müssen. Schuldgefühle breiteten sich in ihm aus. Er realisierte nicht was passierte. War es vorbei? War er der Schuldige? Hätte er es besser machen müssen?

Im Fahrstuhl angekommen. Es herrschte Stille. Alle Blicke waren nur auf sie gerichtet. Plötzlich. Ein langes Piepen ertönte im Fahrstuhl. Es war erschütternd.

Ihre Atmung stoppte. Es war vorbei!

Jana und Sarah, 8a


Misstrauisch

Es klingelt ,endlich komme ich hier raus. Das wird aber auch Zeit, hier ist es stickig und schwül, ja dieses Sommerwetter hat auch Nachteile. Hoffentlich holt mich jemand ab, dann muss ich nicht in dem ekligen warmen Bus fahren. Die Türen gehen auf und alle stürmen raus. Endlich Wochenende das denke bestimmt nicht nur ich. Das ganze Wochenende kann ich machen was ich will, Mama ist auf Geschäftsreise und Papa mit einem Freund im Urlaub. Da vorne im Auto, wer winkt mir da zu ? Kenne ich diesen Mann? Ich glaube nicht, er winkt mich zu sich.

Ach, da kommt sie raus. Hoffentlich schöpft sie keinen Verdacht. Jetzt kommt sie hier her, sie hat mich gesehen. „ Hallo Finja , ich bin Maik. Ich soll dich abholen.Iich kenne deinen Vater von früher und wir haben seit ein paar Wochen wieder Kontakt. Das Kennwort , damit du mir glaubst, ist Balu, richtig?“ Ich glaube, sie hat angebissen, aber wieso auch nicht? Sie kennt mich ja nicht, also könnte die Geschichte auch stimmen. „ Komm, steig ein, ich fahr dich heim.“

Der sieht nett aus und er kennt unser Kennwort. Ich brauche also keine Angst zu haben. „ Hallo Maik, danke, dass du mich abholst.“ Der scheint wirklich nett zu sein. Zum Glück bin ich gleich zu Hause , denn ich habe unfassbare Bauchschmerzen. Maik fährt aber ziemlich schnell. Und wo fährt er denn lang? Das ist aber nicht der Weg nach Hause. „ Wo fährst du lang? Das ist doch nicht der Weg zu mir.“

Jetzt sitzt sie, also sofort los. Damit sie bloß keinen Verdacht schöpft, oder noch auf die Idee kommt, auszusteigen. Jetzt fragt sie schon , wo wir lang wollen „ Wir machen nur einen kleinen Abstecher, dauert nicht lange. Ich muss nur kurz etwas abholen.“ Ich fahr einfach schnell weiter und dann schafft sie es nicht auszusteigen. Ich schließ jetzt das Auto von innen ab und dann geht das.

Wo fährt er mich bloß hin? „ Kannst du mich bitte schon jetzt zu Hause raus lassen, weil ich extreme Bauchschmerzen habe und ich noch mit unserem Hund gehen muss?“ Hoffentlich sagt er, dass er mich raus lässt, langsam werde ich ein bisschen misstrauisch. Wieso fährt er jetzt was abholen? Wieso nicht auf dem Rückweg? Jetzt fahren wir in einen Wald. Wo will dieser Mann mit mir hin? Ich habe Angst! „Maik, was wollen wir hier? Da hinten ist doch nur eine alte Hütte. Wohnt da der Mann, von dem wir was abholen sollen ?“

Jetzt hab ich sie, die kommt hier nicht mehr weg. Langsam merkt sie, dass was nicht stimmt, aber aus diesem tiefen Wald kommt sie nicht mehr raus. „ Der Mann, von dem wir was abholen, wohnt hier. Also wir gehen da schnell rein und dann fahr ich dich nach Hause. Also keine Angst , der Mann ist total nett…“ Ich nehme ihr gleich ihr Handy weg , damit sie niemanden erreichen kann und damit niemand Verdacht schöpft und da ihre Eltern nicht da sind, werden die auch nichts mitbekommen. Ich habe alles ins Detail durchgeplant. Es wird alles klappen, das muss es einfach, ich bin mir sicher. So langsam werde auch ich ein bisschen nervös, hoffentlich macht sie alles , was ich will.

Jetzt hält er an, ich komme mit raus. Hoffentlich passiert mir nichts! „ Und wo ist jetzt dieser Mann?“ Ich weiß nicht warum, aber ich habe echt Angst. Vielleicht ist das auch unnötig, aber ich habe ein echt komisches Gefühl. „HILFE, Hilfe was machst du? Lass mich los!“ Hier wird mich nie-mand hören. Deswegen sind wir im Wald. Warum bin ich hier mitgefahren? Mist, Wäre ich mal Bus gefahren! Was hat dieser Mann mit mir vor?

Jetzt setze ich meinen Plan in die Tat um, das was jetzt passiert, hätte sie nicht gedacht. „ Finja komm mit rein! Los, beweg dich, komm hier rein!“ Jetzt fängt sie an zu schreien. „ Du brauchst nicht schreien, hier im Wald hört dich niemand. Also komm mit! Und mach, was ich will, sonst wird das hier dein letzter Tag.“ Mein Plan funktioniert, sie wird hier nicht rauskommen, egal was sie ver-sucht. „Finja, mach einfach das, was ich will und dann passiert dir nichts!“

Mein Bauchgefühl war richtig. Dieser Mann ist nicht so nett, wie er aussieht. Wieso habe ich mich täuschen lassen? Hoffentlich tut er mir nichts an. Ich habe unfassbare Angst. „Bitte tu mir nichts! Ich habe dir doch nichts getan, bitte!“ Ich bin wie in einer Schockstarre. Was soll ich tun? Mama, Papa bitte helft mir! Moment, ich habe doch mein Handy…..NEIN, er hat es mir weggenommen! Ich bin ausgeliefert, ich kann nichts machen! Dieser Mann wird mich umbringen, ich muss irgendwie entkommen. Nur, aus diesem Wald komme ich alleine nicht mehr raus. Wieso bin ich so leichtgläubig? Er zerrt an mir herum, mein Arm tut schon weh, „Aua, du tust mir weh!“ Was hat er denn nur vor?

Er schlägt auf mich ein, alles tut weh… was hat er vor? Sie soll nicht so rumschreien, sondern besser ihre Kräfte sparen. „ Sei leise! Es bringt dir nichts hier rumzuschreien. Du kommst jetzt hier rein, sonst prügel ich dich rein.“ Dieses Mädchen ist dumm, sie checkt es nicht.

„Nein, bitte tu mir nichts an, ich will das nicht! Was tut er mit mir, ich habe so Angst. Ich muss flie-hen, aber wie? Los Finja, denk nach! Was kannst du tun?

„Ich sag es dir noch einmal: MACH WAS ICH SAGE! Ich gehe jetzt Essen kaufen. Und bis ich wieder da bin, bleibst du hier und ich schließ dich ein.“

Jetzt fährt er weg ,dann kann ich irgendwie fliehen,ich schaffe das. „Ja ist gut ich bleibe hier.“ Ich habe auch schon eine Idee.

Lale, 8B


Der falsche Verfasser

Glasklar stand es im Brief. Heute um 17 Uhr. Abermals überprüfte sie die Schrift. Tatsächlich; 17 Uhr. Der prasselnde Nieselregen punktierte die blassen Schriftzeichen des verblichenen, gelben Dokuments. Irgendwo da draußen musste er doch sein. Was ist, wenn ihm etwas geschehen wäre? Würde sie sich das verzeihen können? Schließlich hatte sie sein fortgehen nicht verhindert. Sie zog die Niederschrift aus dem offenem Fenster. Die vom Dreck uns Staub überzogene Scheibe gab ein lautes Knarren von sich, dann war sie geschlossen. Im Fenster reflektierte sie sich selbst. Ihr Ge-sicht hatte schon lange keine Lebendigkeit verspürt.

Sie kniff die faltigen Augen zusammen. Ja, sie war alt geworden. Verschollen wirkte sie, während sie durch die vom Niederschlag verzerrte Gaube hindurchblickte. Irgendwo in der Ferne. Hinter ihr, auf dem spröden Bücherbrett, standen verschiedenste Größen an eingerahmten Ölportraits, des-sen Farbe der Rahmen schon absplitterte. Auf dreien dieser sah man das Antlitz eines jungen Kin-des mit goldblondem Haar und spitzen, himmelblauen Augen. Sie erinnerten an längst vergangene Tage. Inmitten des Raumes stand ein breiter Esstisch. Dieser machte den Anschein den Raum zu verschlingen, dennoch passte er zum Rest. Auf diesem lagen zwei Dutzend geöffneter Briefum-schläge und eine große, grüne Kerze. Ihre Flamme flackerte. Die hölzernen Bodendielen hatten mehrere Schleifspuren. Sichtlich war jemand über die Zeit nicht zufrieden mit dem Mobiliar gewesen. Dennoch sah der Raum aus, als wenn jemand stetig gegen den Zerfall ankämpfen würde. Ner-vös tippte sie mit ihren mageren Fingern auf den morschen Fensterdielen herum. Ein angenehmes Geräusch. Es nahm ihr die Anspannung. Er würde schon zurückkehren, ganz sicher. Ihre langen Fingerknochen waren mit einer hauchdünnen Schicht fahler Haut ummantelt. Sie hatte eine mit Schrammen versetzte, silberne Armbanduhr um ihr rechtes Handgelenk. Welches den Brief weiterhin bewahrte, geschnürt. Durch das zerkratzte Gehäuse entnahm man das unruhige Ticken des Sekundenzeigers. Die Anspannung hatte einen aktiven Weg zurück gefunden. Überdies, auch bei der niedrigsten Schlaufe rutschte die Uhr unaufhörlich ihr Handgelenk hinunter. Die Zeit verstrich langsamer als je zuvor. 17:01 Uhr. Freilich; die alte und ihr Elternhaus hatten eine viel mehr verwahrloste Erscheinung. Wäre man nicht der Autor dieser Kurzgeschichte und wisse genau, wie man sich die Dame vorzustellen hat, könne man meinen, es handle sich um ein Schreckgespenst, welches vorm gläsern, hölzernen Ausguck stand. Aber nein, sie war noch nicht vergangen.

Der Marschweg war nicht mehr lange von Dauer. Bald würdest du am Hause ankommen. Wie mö-gest du dein Treiben nur begründen? Anfangen, ohne sie in die Schwermut zu treiben? Direkt oder vernunftbegabt? Dieses Unterfangen glich einem spreizenden Drahtseilakt eines Zirkusakrobaten. Wie lange hattest du schon keine Vorstellung mehr gesehen? Bestimmt seit Monaten nicht. Aber Ablenkung ist nicht immer gut, so peitschte dir der brausende Wind den Nieselregen um die Ohren und zog dich wieder in die unendlichen Leiden der Wirklichkeit. Zum Glück ist das hier nur ein Text. 17:02 Uhr. Dein schweifender Blick überflog die Landschaft. Der Himmel zog sich stetig zu. Es wurde dunkler. Da hinten. Es machte zwar einen eher heruntergekommenen Eindruck, aber es war noch nicht verfallen. Glück gehabt. Es war so voller heller Kindheitserinnerungen. Nicht mehr allzu weit entfernt. Vielleicht noch eine Viertel Meile, dann würdest du an die Haustür klopfen. Vielleicht stände ein Teller frisch gebackener Zimtschnecken auf dem winz’gen Kaffeetisch, wie es die regne-rischen Sonntage damals immer mit sich brachten. Vielleicht könntest du es ihr dann in Ruhe erklä-ren. Sie, wenn möglich auffangen, unterstützen, beruhigen. Die Vorstellung einer am Boden zer-störten Mutter ließ dir einen Schauer über den Rücken fahren. Warum hattest du die Briefe denn noch weitergeführt. Es war eine schlechte Idee gewesen. Wie eine vor Kälte erstarren lassende Dusche. Es hätte nicht geschehen müssen. Deine Hände waren vom Schmutz benetzt. Er hätte es durchgestanden, ganz knapp, aber du hast ihn überzeugt. Deine getarnte Kleidung zog dich enorm nach unten. Wie Zementsockel. Vielleicht waren es auch deine immer schwerer werdenden Beine. Es musste getan werden, so wäre es besser. Das Weiterschreiten nahmst du schon gar nicht mehr wahr. Fast schon mechanisch steuerten dich deine Beine den Schotterweg zur Hütte hinauf. Du hättest auf halbem Wege umkehren können, flüchten vor der klagenden Belastung. Nie wieder-kehren müssen. Würde dein Gewissen mitspielen? Die dabei immer lauter dröhnenden Naturge-räusche nahe der Hütte waren schon fast komplett ausgeblendet. Eine Entschuldigung dafür wäre deine Taubheit. Gleich ist es soweit. 17:03 Uhr.

Immerzu stierte sie aus dem dreckigen Fenster. Das Putzen hatte sie größtenteils eingestellt. An die schwierigen Stellen wäre sie ohne Unterstützung sowieso nicht herangekommen. Wo er denn nur, so fragte sie sich, bleiben würde. Zu oft hatte er eine Verschiebung seiner Ankunft verschicken müssen. Seine Pünktlichkeit hatte man ihm wohl abtrainiert. 17:04 Uhr.

Ein Mann mit goldblonder Mähne und stechenden, blauen Augen, wahrhaftig! Daran wie er ging, erkannte man die vergangene Zeit. Sein Humpeln begleitete ein gezwungen lässiger Gang. Ihr an-dauerndes Warten hatte sich schließlich doch lohnhaft gezeigt. Wie groß er doch gewachsen sei. Und wie schön er geworden war. Ganz nach seinem Vater. Ihr entging ein freudiges Japsen. Ihm müssen alle Frauen wohlgesonnen sein, das war sicher. Ihr Herz pumpte. War es eine aufgeregte Freude? Sie durchquerte den Raum. Als sie am Esstisch vorbeischritt, bemerkte sie nicht die auf-kommende Flamme der Kerze. Trotz der Aufregung blieb sie in sich. Sie sah sich gezwungen sich zu setzen. Lange war es her, dass sie ihren Sohn geborgen in den Armen hielt. Damals zum Abschied, daran erinnerte sie sich genau, hatte sie ihm tränenüberströmt einen Abschiedskuss, welche er nie wirklich zu lieben vermochte; er war ein damals erhabener Knabe gewesen, auf die jungen Wan-gen gegeben. Einzig solle er auf sich Acht geben und Kriege gewinnen.

17:05 Uhr. Jetzt verging alles, wie das ruckartige Zucken der Leseraugen, sollte man in den Genuss dieser Geschichte kommen, zügigen Schrittes. Lange hattest du die Behausung nicht mehr erblickt. Dennoch schien alles wie damals. Die Reifenschaukel, welche sich öfter vom Seil gelöst hatte, mit der Schlammpfütze darunter, die Berge an Feuerholz, aus denen ihr kleine Türme; für euch waren es Schlösser gewesen, bautet, das kleine Handwerkskämmerchen des Vaters im Vordergarten und das bescheidene Tintenfass auf der Holzbank. Du warst gut darin Schriften zu fälschen. Aber Ablenkung solle abermals nichts taugen. Den vergilbten Umschlag fest in der Hand; wie sie wohl reagieren würde, warst du bereit an die Tür zu klopfen.

Als ein donnerndes Klopfen durch die Räume schallte, erhob sie sich aus ihrer festgefrorenen Pose. Der Weg zur Tür war kurz, dennoch erschien er länger denn je. Hochspannung durchströmte ihren gebrechlichen Körper. Beim Aufstehen warf sie die Niederschrift ihres Sohnes auf den dunklen Esstisch. Lügen würde er ihr nicht mehr auftischen. Sie stand auf und ging zum Eingang. Mit zittrigen Händen schloss sie das Portal auf. Sie sah einen jungen Mann und fing an zu strahlen. Er war zurückgekehrt, aber er gab ihr eine Unsicherheit. Was war los?

Deine Augen legten einen gesenkten Blick ein. Trotz vorheriger Denkzeit sprang dir kein Anfang in den Kopf. Hättest du auf deine Kameraden gehört, hättest du beiden von euch viel Leid erspart. Sie wäre schon darüber hinweg gekommen. Zitternd enteignete deine Stimme ein einzelnes stummes Wort. „Schau.“

Sie sah den Umschlag. Auf der Vorderseite stand das Symbol des Herrn. Die Kerze erlosch.

Bjarne, 8d


Tischnummer 7

So lange haben wir uns nicht gesehen. Kenne ich ihn überhaupt? So lange haben wir kein Wort miteinander gesprochen. So lange keinen Kontakt gehabt. Und jetzt auf einmal? Jetzt auf einmal will er mich wiedersehen? Er hat uns doch verlassen. Er ist doch weggegangen. Bereut er das jetzt et-wa? Wie soll er das bereuen? Er ist ja freiwillig gegangen. Oder? Mama hat danach tagelang Nächte wachgelegen. Geweint. Wie soll er es da bereuen? Er war ja nicht dabei. Aber jetzt, jetzt will er mich wieder sehen…

War es die richtige Entscheidung? Ja, das war es, sie ist ja schließlich meine Tochter. Aber will sie das überhaupt noch sein? Wird sie mich noch erkennen? Wird sie mich verstehen? Ich konnte ja nichts dafür… Obwohl doch, schon irgendwie, ich hab ja so viel getrunken. Ich hätte einfach auf ihre Mutter hören sollen, sie wollte ja nicht, dass ich zu der Party gehe, aber ich Sturkopf bin ja trotz-dem gegangen. Wird sie das verstehen? Ich kann versuchen, es ihr zu erklären, aber wird sie das verstehen?

Wird er es mir erklären? Gibt es einen guten Grund? Kann es einen guten Grund dafür geben, uns zu verlassen? Aber er ist doch mein Vater. Irgendwie hab ich ihn ja schon vermisst, aber vielleicht war es ja auch nicht seine Schuld. Obwohl, Mama? Die würde ihn doch nie rausschmeißen. Oder? Was hat er nur angestellt? Ich glaube, es ist gut, dass wir uns treffen und er schuldet mir definitiv eine Erklärung, warum er einfach verschwunden ist. Aber ich habe auch Angst, ihn wiederzusehen. Hoffentlich kann ich ihn überhaupt noch erkennen. Wird er mich denn erkennen? Ich weiß auch nicht, ich kann nur hoffen, dass alles gut läuft.

Wird alles gut laufen? Gleich bin ich da, nur noch eine Station. Nur noch eine Station, dann noch eine kleine Strecke zu Fuß und ein bisschen warten. Ein bisschen warten, dann sehe ich sie endlich wieder. Meine Tochter. Der Zug wird langsamer, die Bremsen quietschen. Der Zug hält an, ein Ruck geht durch den Zug. Ich schaue hinaus, blicke in viele Gesichter. Manche hektisch, manche gelas-sen. Manche angespannt, manche entspannt. Jeder anders, ganz individuell. Ich selbst merke wie ich immer nervöser werde und versuche mich zu entspannen. Es wird schon gut werden. Es wird schon alles gut laufen, hoffentlich.

Ich lenke mein Fahrrad um die Kurve, stoße fast mit einem großen Porsche zusammen und werde aus meinen Gedanken gerissen. Geschockt halte ich an, werde irgendwie nervös und trinke einen Schluck aus meiner Wasserflasche. Ich wische mir einen Schweißtropfen von der Stirn und schaue zum Himmel, nachdem einen kleiner Regentropfen auf meiner Nasenspitze landete. Als ein weiterer auf meinem rechten Handgelenk landet, steige ich schnell wieder auf mein Fahrrad und beeile mich weiterzufahren. Nur noch durch dieses Viertel und über die große Brücke, dann nach links abbiegen und schon bin ich da. Dann sehe ich ihn wieder. Meinen Vater. Die Tropfen werden stärker und häufiger, der Nieselregen verwandelt sich jetzt in einen kräftigen Regenschauer. Ich fahre immer schneller und schneller, in der Hoffnung nicht komplett durchnässt im Café anzukommen. Warum habe ich auch nur meinen Regenschirm vergessen? Naja, der Himmel sah vorhin ja auch noch viel blauer aus, mit so einem Regenschauer habe ich echt nicht gerechnet. Aber egal, ändern kann ich das jetzt eh nicht mehr. Gleich bin ich bei der Brücke und dann bin ich fast da. Über die große Wiese kann ich sie schon sehen.

Ich steige aus und versuche mich im Gewusel der vielen gestressten Leute zu orientieren, was mir nicht gerade leicht fällt. Ich bin eben keine Großstädte mehr gewohnt, dafür ist es einfach schon zu lange her und auf dem Land geht es deutlich entspannter zu. Ich bin echt froh, dass ich überhaupt diese Zugverbindung gefunden habe, sonst wüsste ich nicht wie ich es zurück in die Großstadt und vor allem zurück zu meiner Tochter gefunden hätte. Nachdem ich den Aus-gang gefunden habe, trete ich hinaus ins Freie, obwohl es hier trotzdem noch ziemlich voll ist. Aber das ist eben Groß-stadt, damit muss ich mich wohl abfinden. Ich gehe langsam los und werde nun immer nervöser. Die Schritte werden schwerer, trotzdem finden meine Beine den Weg zum Café wie von allein, da waren wir früher oft genug. Meine Hände fangen an zu schwitzen und mein Herzschlag verdoppelt sich. Ich muss mir jetzt immer öfter sagen, dass alles gut wird. Ich biege nach links ab und kann am Ende schon unseren Treffpunkt sehen. Das Café.

Das Café. Das Café wo wir früher immer waren. Aber jetzt, jetzt war ich schon lange nicht mehr dort. Es hängen einfach zu viele Erinnerungen daran, die traurig machen. Ich glaube Mama geht es genauso, denn seit Papa weg ist, wollte sie dort nie mehr hin. Ich kann sie ja auch verstehen, aber schade ist es trotzdem, denn ich habe bis jetzt kein vergleichbares Café gefunden. Tischnummer 6. Dort saßen wir fast immer, solange es frei war. Jetzt sitzen wir am Tisch mit der Nummer 7, ein ähn-licher Tisch mit nicht ganz so guter Aussicht. Die Tisch-nummer haben wir extra schon vorher aus-gemacht, damit wir uns auch finden. Ich werde immer nervöser, denn ich habe die Brücke schon fast überquert und biege im nächsten Moment nach links ab. Jetzt muss ich nur noch diese Straße entlangfahren und dann sehe ich meinen Vater wieder. Meinen Papa, oder zumindest die Person, die sich meinen Papa nennt. Ich stelle fest, dass es aufgehört hat zu regnen und ziehe meine Kapu-ze vom Kopf, bin mittlerweile aber trotzdem ziemlich durchnässt.

Ich stehe am Eingang des Cafés und betrachte es. Ich schaue mich um und lasse meinen Blick durch die kleine, verwinkelte Straße schweifen. Von der anderen Seite sehe ich jetzt eine ziemlich nasse, junge Fahrradfahrerin mir entgegenkommen und gehe drei Schritte nach links, um ihr Platz zu machen, da sie offensichtlich hier parken möchte.

Ich fahre an einem älteren Mann vorbei und parke vor dem Café. Nachdem ich abgestiegen bin, treffen sich unsere Blicke und wir müssen beide kurz lächeln. Der Mann geht in das Café und ich folge ihm, erstaunlicherweise geht er ziemlich zielstrebig in die gleiche Richtung wie ich, zum Tisch mit der Nummer 7.

Am Tisch Nummer 7 angekommen, ziehe ich meine Jacke aus und setzte mich. Mein Herz schlägt fast dreifach so schnell wie normalerweise und ich schaue mich nervös um. Wieder sehe ich das Mädchen von vorhin, welches jetzt unschlüssig und überraschenderweise vor meinem Tisch steht. Als sie sich langsam setzt wird mir sofort klar, wer sie ist. Sie ist meine Tochter. Meine Tochter Lena.

Als ich in seine freundlichen Augen blicke, erkenne ich ihn sofort, meine Sorgen sind wie wegge-wischt. Meinen Vater. Ich bekomme Tränen in die Augen und stehe auf, um ihn zu umarmen. Es ist anders, als erwartet. Nicht schlimmer, es ist besser. Diese Umarmung macht mich glücklich.

Meine Augen füllen sich mit Wasser und ich kann sie fast nicht mehr loslassen. Ich bin einfach glücklich.

Felicitas und Leandra, 8e


Die Wahl

Er saß in seinem Büro und grübelte. Grübelte über Zeilen, die er verfassen könnte. Er konnte nicht fassen, dass ausgerechnet er sich zum Bürgermeister aufschwingen wollte. Er, bei dem es ein Wunder war, dass er nicht schon aufgrund seiner himmelschreienden Inkompetenz qualvoll beim Brotschmieren verendet war. Er, der es noch nie fertiggebracht hatte, mehr zu tun als zu atmen und andere grundlegende Körperfunktionen funktionieren zu lassen. Unfassbar. Ausgerechnet er hatte sich auf den Bürgermeisterposten beworben.

Es durfte nicht sein, nein. Es durfte und konnte nicht sein. Er musste einfach Fake-News über ihn verbreiten. Er konnte nicht anders. Dichtung und Wahrheit, so hat es schon Goethe genannt. Fal-sche Fakten in richtige Worte gewandt. Die Sätze gesetzt mit Raffinesse und Verstand, worauf er sich wirklich gut verstand.

Keine Gedanken machen, niemals. Nicht zu viel Stress, Stress hilft nicht weiter. Stress zerstört Plä-ne, die durch ihn nicht lang genug reifen können. Schon immer vertrat er diese Philosophie. Dadurch mochte er träge gewirkt haben, aber egal. Nicht daran denken. Nicht an den Stress den-ken. Stress, nicht an dieses Wort denken, einfach nicht an dieses Wort denken, das er viel zu oft in seinem mit Stress verstopften Kopf wiederholte, um nicht daran zu denken. Er brauchte einen Plan. Zeitungsartikel, die ihn in ein besseres Licht rücken, das ist der Plan. Diesen Plan würde er umsetzen, er brauchte einen guten Journalisten. Einen rhetorisch gewandten. Dabei musste er sofort an ihn denken. Seinen Klassenkameraden, der ihn nie gemocht hatte, ihn jetzt jedoch retten würde. Das Schicksal geht manchmal seltsame Wege, dachte er, während er eine Email an ihn ver-fasste, von der er dachte, sie würde ihm den Bürgermeisterposten sichern.

Der in ein graues Hemd, graue Hosen und graue Worte gewandte Journalist war gelangweilt. Rhetorik. Rhetorik war nur sein Mittel, um zu erreichen, was er erreichen wollte. Der Mensch war so schön einfach zu beeinflussen, wenn er zur rechten Zeit die rechten Worte hörte oder las. Deshalb machte er einfach weiter. Einfach nur – Was war das? Eine Email störte seinen Schreibfluss. Er öff-nete sie und konnte weder Absender noch Inhalt fassen. Der werte Herr Möchtegern-Bürgermeister wollte ihn als Werber arrangieren und bot dafür auch noch Bezahlung an. Das wird grandios. Innerlich sprang er im Dreieck vor Freude. Er würde den gleichen Text veröffentlichen, an dem er auch jetzt schon arbeitete. Ein Artikel gegen seinen alten Klassenkameraden. Laut Email würde die Bezahlung vorher kommen, sodass er auch noch dafür bezahlt werden würde, seinem Auftraggeber zu schaden. Doch es war noch mehr herauszuholen, er würde den verzweifelten Versager noch ein wenig zappeln lassen, wie ein zum Tode verurteilter Fisch im Netz.

Eine Antwort. Eine Zusage. Pure Erleichterung. Sein Beauftragter forderte eine Erhöhung der Be-zahlung, aber das war es im wert. Er hatte Geld, anders als ein gutes Ansehen. Das konnte er nun kaufen. Und er tat es. Er verdreifachte die Bezahlung, schließlich konnte er es sich leisten. Bei solchen Summen wären andere schlecht gelaunt, er jedoch war erleichtert. Und zwar nicht nur um sein Geld.

Der nun etwas reichere Autor lachte lauthals quer durch das ganze Büro. Er erntete dafür einige verwirrte Blicke, doch das war ihm egal. Es war unglaublich, wie dumm der war, der nun meinte, eine Stadt verwalten zu können. Derjenige, der kein Idiot war, veröffentlichte nun seinen Artikel und es dauerte eine Woche bis ihn ein Anruf erreichte. Ein wütender Anruf. Das war Aufwand, den er von jemandem wie Herr „Ich werde Bürgermeister,ich bin der Beste“ niemals erwartet hätte. Dafür musste man sich überlegen, was man sagen will. Dafür musste man wütend und laut reden und dafür wiederum brauchte man einen langen Atem. Soviel Arbeit hatte der Anrufer seit der Grundschulzeit nicht mehr geleistet. Daran konnte er sich zwar kaum noch erinnern, aber er muss-te trotzdem schmunzeln. Er hat in der Schulzeit schon gelogen, sobald er den Mund geöffnet hat. Es waren keine absichtlichen Lügen, sondern nur solche, die auf Unwissen basierten. Aber das ent-hielt er selbstverständlich den Lesern. Er hat noch nie irgendetwas geleistet. Das ist eine Ansicht, die er selbst vertrat, die aber ebenfalls nicht ganz wahr war. Mit all solchen Halbwahrheiten, die dem unwissenden Leser schlecht erscheinen, zerstörte er das Bild desjenigen, der ihn gerade derart laut durch das Telefon anschrie, dass es vermutlich noch ihrer beider Nachbarn es hörten.

Tarek und Jendrik, 8f