Schreibwerkstatt der 8. Klassen

Am Ende des Schuljahres fand in den 8. Klassen wieder die Schreibwerkstatt statt. Dabei konnten die Schülerinnen und Schüler ihrer Fantasie freien Lauf lassen. Dabei wurde in jeder Klasse eine siegergeschichte gekürt. Die beeindruckenden Ergebnisse sind hier nachzulesen. (Auf die Titel klicken, um direkt zur Geschichte zu springen)

Bis zum bitteren Ende von Lucie (8a)
Zufall  (von Vivien aus der 8b)
Wer sich auf die Liebe einlässt sollte erst überlegen ob er ein gebrochenes Herz ertragen kann (von Laura und Sevval aus der 8c)
Der Schrei in ihrer Erinnerung (von Beata aus der 8d)
Wir sehen uns auf der anderen Seite (von Kristin aus der 8e)

 

Bis zum bitteren Ende (von Lucie aus der 8a)

Da stand ich nun. Allein und zurückgelassen. Ich klammerte mich fest an das Geländer der Autobahnbrücke. Ich fühlte den kühlen Frühlingswind auf meiner Haut. Die Autos rasten unter mir entlang. Eine Träne kullerte mir die mit Sommersprossen versehene Wange hinunter. Ich dachte an früher. Als ich noch Freude daran hatte, nach draußen zu gehen und etwas zu unternehmen. Die Zeit, in der ich noch ein Mensch voller Gefühle war. Mein kleiner Terrier, den ich damals besaß, war mein Ein und Alles. Doch das Leben ist grausam und wenn es dir eine auswischen will, dann tut es das von jetzt auf gleich. Es nimmt keine Rücksicht auf dich. Und so kam es dann auch.

Als ich ungefähr 14 Jahre alt war ließen sich meine Eltern scheiden. Ich fiel in ein tiefes und dunkles Loch, baute eine Mauer um mich selbst und ließ niemanden mehr an mich ran. Das Einzige, was ich hatte, war mein Terrier. Er war der Einzige, der mich wieder zum Lachen bringen konnte. Jedoch ließen die Schulnoten allmählich etwas nach. Die Lehrer sorgten sich, da ich sonst immer eine der guten Schülerinnen war. Aber auch sie drangen nicht zu mir durch und nach einiger Zeit fingen meine Klassenkameraden an mich zu mobben. In der Schule ließ ich alles über mich ergehen, um stark zu wirken. Doch jeden Nachmittag weinte ich und futterte den Frust in mich hinein. Mein Hund war wie immer da, um mich aufzumuntern. Es freute mich, wenn er sich zu mir legte und für einen kurzen Moment drang ein Lächeln aus meinem verletzten Inneren nach außen. Aber als hätte es nicht alles noch viel schlimmer kommen müssen, musste mein Terrier, mein einziger Grund, stark zu bleiben und für mindestens einen Moment lang glücklich zu sein, eingeschläfert werden. Mein ganzer Lebensinhalt wurde mir mit einem Atemzug genommen. Tage lang sperrte ich mich in meinem Zimmer ein. Ich schwänzte die Schule und fing an, mir schlimme Dinge an zu tun. Jeden erbärmlichen Tag meines minderwertigen Lebens schnitt ich mir mit einer Klinge tief ins Fleisch. Das Blut floss und mein Schmerz ließ nach. Denn dieser Schmerz war wesentlich angenehmer als der, der mich dort draußen in der grausamen Welt erwartete. Meine Mutter wusste nicht mehr weiter und begann ihre eigenen und meine Probleme in Alkohol zu ertränken. Ich bekam nicht viel davon mit, da ich viel zu sehr mit mir selbst beschäftigt war. Und das war ein Fehler. Denn eines Abends schlich ich die Treppe runter, um etwas zu trinken, und war gelähmt vor Schmerz und Trauer, bei dem was ich erblickte, als ich die Küche betrat. Eine riesige Pfütze Blut verteilte sich über den gesamten Boden der Küche. In der Mitte lag meine Mutter tot mit tausenden Schnittwunden am Körper und einem Küchenmesser in der Brust. Ich schrie. Wieso macht es dir das Leben so verdammt schwer? Ich brach mit Tränen im Gesicht zusammen und merkte, wie es mir immer schwerer fiel, zu atmen. Ich schrie immer wieder nach ihr. Wieso musste es ihr passieren? Wieso habe ich es nicht gemerkt, wie schlecht es ihr ging? Doch es war zu spät. Und ich gab mir die Schuld an allem, was geschah. Ich zog zu meinem Vater. Ich schwänzte immer noch die Schule und schloss mich für mehrere Tage ein. Plötzlich rief mein Vater mich eines Abends nach unten. Ich kam nicht, da ich zu sehr damit beschäftigt war, den ganzen Frust und die Trauer zu verkraften und mir dafür die Schuld zu geben. Er wurde sauer. Sehr sauer. Er stampfte nach oben und öffnete die Tür mit einem Zweitschlüssel. „Wieso zum Teufel kommst du nicht wenn ich dich rufe?“, schrie er mich an, während einige Tröpfchen Speichel in mein Gesicht gelangten. Ich begann zu zittern. So hatte ich ihn noch nie erlebt. Ich fing an zu stottern: „Es tut mir leid. Ich …“ Er unterbrach mich und schrie: „Es tut dir leid, es tut dir leid. Ach, wenn es dir nur wirklich leidtun würde!“ Er wurde total aggressiv, holte aus und schlug mit seiner Faust einmal fest auf mein Gesicht ein und mehrmals in meinen Bauch. Ich hatte das Gefühl, dass ich sterben würde. Eine Erlösung meines Leidens. Aber so kam es nicht. Ich blieb weiterhin am Leben. Es ging immer weiter.

Anfangs schlug er mich einmal die Woche. Aber dann wurde es täglich. Ich konnte nicht mehr. Diese ganzen Lasten, die ich mit mir trug. Ich wollte weg. Weg von meinem Vater. Weg von den Schmerzen. Einfach weg. Darum beschloss ich abzuhauen. Es war morgens. Ein Samstag. Mein Vater schlief noch, als ich heimlich und leise das Haus verließ. Ich schloss die Tür leise hinter mir. Und ich begann zu rennen. Egal wohin, egal wie lange. Ich rannte einfach immer weiter weg.

Und da stand ich nun. Allein und zurückgelassen. Ich klammerte mich fest an das Geländer der Autobahnbrücke. War es die einzige Lösung? Nein. War es die richtige Lösung? Vielleicht. Aber wieso länger unter diesen Qualen leben, wenn es auch anders geht. Und wenn dich alles, aber auch wirklich alles, was dich hier gehalten hat, fort ist, was bringt es dir dann, zu bleiben? Ich stand mit beiden Füßen auf dem schmalen Rand zwischen Geländer und Abgrund. Das Ende war zum Greifen nah. Mein linker Fuß rutschte ab. Im letzten Moment konnte ich mich gerade noch so halten. Ich bekam Angst. Wieso gerade jetzt? Ich merkte, wie es mir schwerer fiel, zu atmen. Ob es wirklich die richtige Entscheidung war? Ich hörte eine Autotür zuknallen und Schritte. Jemand kam auf mich zu. „Celine!“, hörte ich eine bekannte Stimme rufen. Sie war nicht sehr deutlich zu hören aufgrund der vielen rasenden Autos unter der Brücke. „Tue dir das bitte nicht an!“, rief er. Ich erkannte die Stimme. Es war Mark, mein ehemaliger bester Freund. Ich drehte mich um. Kein Stück hatte er sich verändert. Seine braunen, hochgestylten Haare und seine tiefblauen Augen würde ich überall wiedererkennen. „Mark, nichts, was du sagst, könnte meine endgültige Entscheidung ändern. Ich werde definitiv springen!“, sagte ich und begann zu zittern. Er sah in meine Augen und kam näher. Noch nie habe ich mich jemandem so nahe gefühlt. Er nahm meine Hände und sah mich behutsam an, als er merkte, dass ich zitterte. „Du brauchst nicht zu springen, Celine. Es gibt so viele schöne Dinge im Leben. Außerdem gibt es Menschen, die dich vermissen würden. Sogar sehr!“, sagte Mark einfühlsam. Ich wand den Blick von ihm ab und starrte auf den Boden. „Wer würde denn einen Loser wie mich vermissen?“, fragte ich unsicher. Mit seiner Hand fasste er an mein Kinn und schob meinen Kopf hoch, sodass ich ihm wieder in die Augen blickte. Er sah, dass ich bereits Tränen in den Augen hatte, und legte seine Hand an meine Wange. „Ich, Celine. Ich würde dich vermissen. Und du bist kein Loser. Für mich bist du wunderschön und talentiert in dem, was du tust“, sagte er und begann zu lächeln. Meine Miene verzog sich ganz leicht und er bekam von mir ein kleines Grinsen zu sehen. Dieses Gefühl hielt jedoch nicht lange an und ein paar Sekunden später schaute ich wieder genauso verletzt wie vorher. „Mark, ich muss springen. Ich halte keinen weiteren Tag mehr hier aus. Du verstehst es nicht, wie es ist, von seinem Umfeld ausgegrenzt zu werden“, sagte ich und löste meine Hände vom Geländer. „Nein!“, schrie Mark und griff nach meinen Händen. Er zog mich zu sich. „Bevor du den größten Fehler deines Lebens machst, muss ich dir noch etwas sagen“, sagte er, war etwas unsicher und schaute auf den Boden. Einen kurzen Moment später legte er seine Hände um meinen Hals und küsste mich. Ich war überwältigt von Gefühlen und Gedanken. Fühlt sich Liebe so an? Wieso habe ich dieses Gefühl nicht schon viel früher kennengelernt? Es ist so, als wäre die Zeit stehen geblieben. Ich vergaß, mich am Geländer festzuhalten, da Mark mich festhielt. Nach dem Kuss sagte er zu mir: „Ich liebe dich!“ Ich war wunschlos glücklich. War das Glück doch nicht so weit entfernt, wie ich dachte? Vielleicht sollte ich dem Leben doch noch eine letzte Chance geben. Aber genau in diesem Moment ließ Mark los, da er dachte, ich hätte immer noch beide Hände fest am Geländer. Ich rutschte mit meinen Füßen ab und fiel nach hinten. Mark versuchte nach meiner Hand zu greifen, aber es war zu spät. Ich hätte nicht gedacht, dass ich das einmal sagen würde, aber ich bereute es, springen zu wollen. Es lief alles in Zeitlupe ab, wie in einem Film. Ich sah mein Leben an mir vorbeiziehen. Immer und immer wieder rief Mark nach mir. Ich schaute ihm in seine Augen. Ein allerletztes Mal, bis ich aufprallte und mich ein Auto mit sich riss.

 

Zufall  (von Vivien aus der 8b)
‚Ich schaute aus meinem Fenster. Es war dunkel und nur ein paar Autos fuhren vorbei. Meine Augen wurden träge. Wo blieb sie bloß? Ich entschied mich ihr entgegen zu kommen und ging darum raus.

„Sophia!“, rief ich wie ein kleines Kind, als ich sie sah. Dort ging sie gerade, unter einer Laterne, bei Nacht, auf dem Weg zu mir. Ich konnte es nicht erwarten ihr zu beichten wie sehr ich sie liebte.

Sophia war genau gegenüber von mir. Auf der anderen Straßenseite. Zum greifen nahe. Sie war so froh mich zu sehen, dass sie ohne zu gucken über die breite Straße lief.

So schnell war es vorbei. Ein hupen vom LKW, ein letzter Schrei.‘

Ich wachte, wie auch des öfteren, schweißgebadet auf. Seit dem Tag ihres Todes, hatte ich immer wieder diesen einen Traum. Den Traum, der mir zeigte, dass es meine Schuld war, dass sie gehen musste.

Heute konnte ich diese Gedanken aber nicht wie sonst immer wegschütteln, weil heute Sonntag war. Jeden Sonntag, der Wochentag an dem sie Planet Erde verließ, ging ich zum Friedhof und legte eine Blume auf ihr Grab. Und das tat ich schon seit neun Monaten.

Die meisten Menschen würden sich wahrscheinlich keine Gedanken mehr machen und ihr Leben weiterführen. Aber Sophia, so kitschig es auch klingt, war so viel für mich. Sie war einer dieser Leute denen man einfach vertrauen konnte, ohne Ausnahmen. Wir waren immer füreinander da, ob in guten oder schlechten Zeiten. Und das schon seitdem wir kleine Kinder waren. Als wir 16 waren, haben wir uns sogar passende Tatoos stechen lassen. Wir waren alle zusammen auf einer kleinen Party, ziemlich betrunken. Der Freund bei dem wir waren hatte eine Tätowiermaschine und darum haben ich und Sophia uns beide den Anfangsbuchstaben des anderen stechen lassen. Dieses kleine ‚S‘ wird mich nun für immer an sie erinnern.

Ich sprang von meinem Bett auf und zog mich an. Danach kämmte ich noch kurz meine etwas längeren dunkelbraunen Haare und bemerkte im Spiegel, wie rot meine Augen waren. Sie waren nicht rot vom weinen, oder von einfacher Traurigkeit. Nein, sie waren rot, weil ich nie mehr als vier Stunden schlief. Natürlich hatte das auch Effekte auf meine Gesundheit.

Ohne irgendwelche Geräusche zu machen, oder zu essen, schlich ich mich aus dem Haus meiner Eltern. Obwohl ich 19 war, war ich ziemlich unfähig mir selber einen Job zu besorgen. Aber ich bin frisch aus der Schule raus, alles hat ja noch Zeit.

Als ich nach ein paar Minuten laufen am bewaldeten Ende der Stadt ankam, ging ich in den Wald, in dem auch der Friedhof lag. Unsere Stadt, oder eher unser Dorf, war klein, aber genau das mochte ich daran. Darum war auch der Friedhof ziemlich klein. Und die letzte Person, die begraben wurde, war Sophia. Neben ihr waren leere Gräber. Wer wohl als nächstes hier liegen würde…

Bevor ich mich vor ihr Grab setzte, ging ich zum kleinen Blumenladen am Rande des Friedhofes und kaufte eine weiße Blume. Ich kannte den Namen der Blume nicht, aber das hätte mich sowieso nicht interessiert.

Ich kam zurück zu ihrem Grab an dem ich vorhin vorbei gehen musste und setzte mich auf den erdigen und kalten Boden.

„Du bist immer hier, oder?“, flüsterte eine neue Stimme. Ich erschrak und drehte mich um. Hinter mir stand ein Mädchen. Sie sah nicht älter als ich aus. Ihre Haare waren hellbraun und fielen an den Seiten ihres Gesichtes flach nach unten.

Ich stand auf und nickte sie an. Mein Blick fiel auf ihre Augen. Sie waren blau-grün, genau wie die von Sophia. Ich konnte sie schon fast in den Augen der unbekannten sehen.

„Mach ein Foto, es hält länger.“, lachte die Fremde. Mein Gesicht wurde leicht warm. „Mein Name ist Lynn, hey.“, ergänzte sie.

„Ich heiße Florian.“, sagte ich. „Und ja, ich bin jeden Sonntag hier. Ich besuche immer–“ „Ich weiß.“, unterbrach sie mich.

„Meinen Eltern gehört der kleine Blumenladen. Ich pflege die Gräber. Es ist nicht das erste mal, dass ich dich sehe. Nur das erste mal, dass ich mich traue etwas zu sagen.“, erklärte sie, immer noch lächelnd.

Nach dieser kleinen Konversation ging ich, anstatt nach hause zu gehen, zu meinem Freund Tobi. Wir beiden waren wie Brüder seitdem Sophia nicht mehr da war. „

…und dann bin ich zu dir gekommen und nun sind wir hier.“, erklärte ich zuende bevor ich mich auf das Bett von Tobi fallen ließ.

„Wie hast du sie noch nie gesehen? Das ist irgendwie gruselig, findest du nicht?“, sagte Tobi langsam. Ich blieb still und starrte die Decke an. Tobi bemerkte es wohl und machte einen Vorschlag: „Wollen wir ins Kino? Du musst an etwas anderes denken.“

Als wir am Kino ankamen hatten wir keine Ahnung was wir gucken sollten.

„Alter!“, flüsterte ich zu Tobi. „Guck! Das ist Lynn!“ Tobi drehte sich um und schaute zu wie sie und ein anderer Kerl zusammen in Kino zwei gingen.

„Karten für was auch immer in Kino zwei läuft, danke.“, sagte Tobi zu der Kassiererin. Ich schaute ihn mit weiten Augen an. „Du sagtest sie war süß Flo, ich helfe dir nur.“, zwinkerte mich Tobi noch kurz an bevor wir in Kino zwei liefen.

Wir saßen nicht weit weg von Lynn und dem unbekannten. Dann kam das Intro zum Film. „Forbidden Love?! Willst du mich…“, schüttelte ich leise meinen Kopf.

Mitten im Film, als ich fast vor einschlafen war, sah ich wie Lynn ihren Kopf auf die Schulter des Jungens mit dem sie hier war legte. Er schob sie allerdings weg, woraufhin sie sofort aus dem Kino lief.

Tobi schlug meine Schulter: „Hinterher, man!“

Ich ging aus dem Kino und sah Lynn an der seite vom Ausgang auf dem Boden. Sie schluchzte leise.

„Hey, Lynn.“, flüsterte ich und setzte mich neben sie. Sie schaute zu mir und fragte: „Florian? Was machst du hier?“

„Ehm…Zufall.“

Nachdem ich versuchte sie wieder zum lächeln zu bringen und ich es schaffte, umarmte sie mich. Ich wusste nicht wie ich reagieren sollte aber ich umarmte sie zurück. „Danke, Flo.“, sagte sie in meine Schulter.

„Freunde?“, fragte sie und stand auf. „Freunde.“, lächelte ich, als sie mir eine Karte mit ihrer Nummer gab. „Bis irgendwann.“

„Ey, das lief ja gut.“, sagte Tobi von hinten. „Hast du zugehört?!“ „Sorry.“

Sechs Monate später, hatte ich Sophia schon fast vergessen. Seit drei Wochen ging ich nicht mehr zu ihrem Grab. Sie war immernoch in meinem Herzen, aber Lynn und ich sind ziemlich gute Freunde geworden. Wir trafen uns fast täglich, schrieben täglich und waren einfach die besten Freunde. Das Tatoo war zwar noch eine Erinnerung, aber sie war fast vergessen. Ein Teil von mir war froh, dass ich langsam weiterleben konnte. Ein anderer Teil war traurig. Es ist wohl gar nicht so schwer, Leute aus seinem Leben loszulassen. Egal, wie wichtig sie auch waren. Irgendwann schafft es jeder. Es braucht nur alles seine Zeit.

Heute Abend wollte ich Lynn erzählen wie sehr ich sie mochte. Ich hatte lange darüber nachgedacht. Meine Angst sie auch noch zu verlieren war groß. Aber wenn ich derjenige bin, der zu ihr geht? Es kann dann nichts schief gehen.

Ich lag falsch.

Ich war genau auf der anderen Straßenseite vor dem Haus von Lynn. Meine Gedanken schwirrten umher, ob es eine gute Idee war ihr zu sagen, dass ich sie mochte. Ich schaute aus Prinzip nach rechts und links, ohne wirklich auf den Verkehr zu achten. Ich ging los. Auf einmal sah ich unter meinen Füßen auf dem Boden Scheinwerfer, die immer größerer Schatten warfen. Ich schaute zur Seite und sah nur noch ein rotes Auto, bevor alles weiß wurde.

‚Sophia, ich bin wieder bei dir.‘

 

Wer sich auf die Liebe einlässt sollte erst überlegen ob er ein gebrochenes Herz ertragen kann (von Laura und Sevval aus der 8d)

Mein Leben? Eigentlich perfekt. Dad, Mom, Melanie und ich. Die perfekte Familie, die Coopers.

Wir waren die, die glücklich waren, immer fröhlich, motiviert und was eine perfekte Familie noch so ausmacht. Jeder kannte uns. Und da war noch mein bester Freund Leon. Ich kannte ihn schon mein ganzes Leben lang und nichts hätte uns je trennen können…die Betonung liegt auf hätte. Denn es kam so. Vor zehn Jahren als wir noch acht Jahre alt waren, gingen Leon und ich wie immer nach Hause, aber etwas war anders. Und zwar es stand ein großer Lastwagen da. Ich wusste nicht warum, Leon genau so wenig. Meine Mom kam raus mit zwei großen Koffern und einer Tasche, ich fragte was los war doch sie antwortete nicht. Sie sagte nur das ich mich von Leon verabschieden sollte. Das tat ich dann auch, auch wenn wir immer noch nicht wussten was los war, umarmten wir uns und ich fing an zu weinen. Leon versprach mir das wir uns bald wieder sehen würden und ich glaubte ihm. Ich drückte ihm noch einen freundschaftlichen Kuss auf sie Wange. Dann stieg ich in das Auto und fuhr mit meiner Mom weg. Als ich aufgehört hatte zu weinen fragte ich sie wohin, warum, wieso, was ist mit Dad und Melanie….? Doch zurück bekam ich nur, dass ich es bald sehen würde. Wir waren so weit weg von zuhause. Sugarcity lag Meilen weit weg, ja diese Stadt gibt es wirklich. Nach gefühlten tausend Stunden kamen wir dann aber auch endlich an. Wir fuhren über eine große Brücke, die Brooklyn Bridge. Überall waren diese Hochhäuser, diese vielen Menschen, Autos einfach alles ganz anderes als zuhause. Meine Mom hatte gesehen das ich ziemlich traurig geguckt habe sie hatte mich gefragt ob alles gut sei, ich log sie an und sagte das alles gut sei. Dann blieben wir vor einem großen Gebäude an wo schon so ein Mann draußen auf irgendwen wartete. Er war ziemlich jung, so alt wie meine Mom an dem Zeitpunkt glaube ich, hätte ich bloß gewusst, wer das war. Mom und der Typ begrüßten sich und dann kam er auf mich zu und hatte gesagt: „Hallo kleine Maus, willkommen in deinem neuen zuhause. Ich ,als acht jähriges Kind damals, mochte ihn nicht, weil er neu und fremd war wie alles hier. Mom zeigte mir die Wohnung.

Ich lebte mich nicht wirklich gut ein. Ich beklagte mich jeden Tag, wie scheiße es war und wie sehr ich Dad und Melanie und am meisten Leon vermissen würde. Doch Mom sagte immer, das werde schon noch. Ich glaubte ihr nie. Die neue Schule war auch schrecklich, egal welche Klasse. Niemand war wirklich für mich da und verstand mich, wie es Leon oder meine zwei besten Freundinnen Kate und Josie konnten. Doch all diese Menschen, die mir so viel bedeuteten, lebten hunderte von Kilometern weit weg. Immer wenn ich meine Mutter fragte, ob wir wenigstens mal Dad und Melanie besuchen könnten, lehnte sie ab. Sie wollte nichts mehr von Sugercity wissen. Als Ich dann so 17 war, also erst vor kurzem, hatte ich eine Auseinandersetzung mit meiner Mom, ich wusste immer noch nicht, warum wir eigentlich weg gezogen waren, bis sie es mir sagte und das machte alles endgültig kaputt. Sie sagte mir, dass sie meinem Dad fremd gegangen sei und er es heraus gefunden und sie raus geschmissen hatte. Mich hat sie mitgenommen, weil sie nicht alleine bleiben wollte. Nachdem sie mir das gesagt hatte, konnte ich nicht mehr. Ich packte meine Sachen und kaufte mir ein Busticket zurück nach Sugarcity. Und zwar fuhr ich genau an meinem 18. Geburtstag wieder zurück. Mom hinterließ ich einen Zettel, wo alles drauf stand, also warum ich zurück fuhr, weg von ihr und all dem in NYC. Ich stieg morgens in den Bus. Als wir Sugarcity immer näher kamen, kam mir alles so fremd und anders vor, es hatte sich viel verändert. Als ich dann endlich ankam, ging ich sehr schnell zu unserem alten Haus, was sich übrigens echt verändert hatte und genau in dem Moment kam Dad aus dem Haus. Er blieb stehen als er mich vom weitem erblickt hatte. Erst blieb ich auch stehen, dann aber ließ ich alles fallen und rannte auf ihn zu. Da war ich dann wieder. Zurück zuhause. Melanie kam auch aus dem Haus und sie hatte sich auch sehr verändert, alles hier und jeder. Wir gingen erst mal rein und ich erzählte, wie es in New York war und warum ich wieder zurück kam. Dad meinte, er wusste, dass ich irgendwann wieder zurück kommen würde. Wir hatten schön gegessen, ich stellte paar Fragen, wie es ihnen so ging und alles und dann durfte ich in mein „altes” Zimmer, was mein Dad aber renoviert hatte, mit der Hoffnung, ich würde irgendwann wieder zurückkommen. Es war einfach sehr schön und ich liebte es von Anfang an. Am nächsten Tag ging ich dann wieder in die Schule in Sugarcity, in die High School hier. Dann passierte etwas, was mein komplettes Leben veränderte.

An meinem ersten Schultag an der „neuen“ Schule stieg ich etwas unsicher in den Bus und schaltete über meine Kopfhörer Musik an. Ich beobachtete die Landschaft, die hinter den Busfenstern schnell an mir vorbei zog. Es war mir alles so bekannt und doch so fremd. Ich hatte das Gefühl, dass ich hier nichts hinterlassen hatte. Es ist so, als wäre ich nie hier gewesen. Doch bevor ich weiter darüber nachdenken konnte, hielt der Bus an der Schule und ich stieg aus. Ich musste jetzt erst einmal herausfinden, in welche Klasse ich gehe. Die Frau im Sekretariat gab mir einen Zettel mit meinem Stundenplan und meiner Klasse in die Hand. Als ich den Raum verlassen hatte, sah ich zwei Mädchen, die ich vor sieben Jahren meine besten Freundinnen genannt hatte. Ich ging auf Kate und Josie zu und als sie sich zu mir umdrehten, umarmte ich sofort beide. Sie fragten mich, warum ich zurück sei und ich versuchte es ihnen so gut wie möglich zu schildern. Ich war überglücklich, dass ich mit Kate in einer Klasse war, wenigstens nicht ganz allein. Auf den Unterricht konnte ich mich aber nicht wirklich konzentrieren. Als der Schultag quälend langsam vergangen war, lief ich mit Josie zusammen zum Bus. „Hast du heute Abend eigentlich schon was vor ?“ fragte sie mich. „Nicht wirklich“ sagte ich. „Meinst du, du könntest mit mir und Kate dann heute Abend feiern gehen?“ Ich werde meinen Vater fragen, sagte ich. Ich unterhielt mich mit meinem Vater noch nach der Schule darüber und nicht nur über heute Abend sondern über alles. Ich versuchte ihm ungefähr zu schildern, warum ich zurück kommen MUSSTE. Ich hatte das Gefühl, dass er es irgendwie schon verstanden hatte.

Ich ging also mit Kate und Josie feiern. Ich hatte nicht wirklich jemanden außer den beiden. Partys mit Leuten in unserem Alter waren, also wenn man nicht dicht war, eigentlich ziemlich ernüchternd. Jugendliche betrinken sich, knutschen rum, führen sinnlose Gespräche und was weiß ich nicht alles. Ich zählte mich einfach nicht zu solchen Leuten. Außerdem war ich nicht daran interessiert so schnell wie möglich Kontakte zu knüpfen, welche eh nur oberflächlich sind. Ich hatte Angst, mich Leuten anzuvertrauen, wahrscheinlich weil ich von meiner eigenen Mutter so sehr enttäuscht wurde. Ich hatte eh ein eher düsteres Bild von der Welt, was, glaube ich, eh niemand verstehen würde. Niemand kennt mich wirklich. Niemand weiß, wer ich bin, wenn die Masken fallen. Ich stand an der Bar in meinen Gedanken verloren. Komisch. Außer Kate und Josie ist niemand hier wirklich mein Freund und ich glaube niemand wäre es gern, würden sie mich besser kennen, da war ich mir sicher. Es hatte sich einfach so verdammt viel verändert.

Ein Junge stellte sich neben mich. „irgendwoher kenne ich dich“ sagte er und musterte mich von oben bis unten. „Kann sein. Das müsste dann ungefähr zehn Jahre her sein.“ sagte ich und nippte an meiner Bierflasche. Eigentlich mag ich Alkohol nicht besonders, aber ich hielt es für unhöflich, ständig abzulehnen. Also hatte ich die Flasche angenommen und behalten, um jedem, der mir noch etwas anbieten wollte, zu signalisieren, das ich bestens versorgt war. Der Junge mit den schwarzen dünnen Haaren hatte immer noch nicht aufgehört, mich anzustarren. „Celine?!?“ fragte der Junge etwas ungläubig. In dem Moment fiel mir auf, das ich meinen besten Freund gerade nicht erkannt hatte. „Leon, oh mein Gott! Ich hab dich gar nicht erkannt!!“ Ich fiel ihm um den Hals. Er legte seine Arme um mich und wir standen einfach nur da und umarmten uns. „Ich hab dich ganz schön vermisst“ sagte er leise. „Ich dich auch. Sorry, ich hab dich eben gar nicht auf dem Schirm gehabt. Ich war in Gedanken“ sagte ich entschuldigend. „Also genau wie früher.“ lachte er. Ja. Genau wie früher. „Celine,“ rief Josie mir hinterher „wir gehen schon mal zum Zug. Kommt ihr?“ „Fährst du auch mit dem Zug zurück?“ fragte ich ihn. „Ja ich muss gucken, wann ich aussteige“. Wir liefen alle zum Bahnhof und stiegen in den Zug ein. Eine Zeit lang schwiegen wir alle. Es war kein unangenehmes Schweigen. Es war einfach nur ruhig. Ich lehnte mich an Leon an. Er sah aus dem Fenster und beobachtete die dämmrige Landschaft, welche hinter den Zugfenstern an uns vorbei zog. Irgendwann merkte ich, wie er mich anstarrte und unsere Blicke trafen sich.

„Aber du gehst nicht wieder oder? Du lässt mich nicht wieder allein?“ fragte er mit etwas besorgten Unterton in seiner Stimme. „Nein ich bleibe,“ sagte ich. Wir beide lächelten. In diesem Moment war mir ja noch nicht klar, dass nicht ich diejenige sein werde, die geht. Sondern er – er wird gehen. Aber nicht, weil er es wollte. Er musste gehen. Und er wird nie wieder zurückkommen. Ich verabschiedete mich von allen und lief vom Bahnhof aus nachhause. Ich schloss die Tür auf und sah nach meinem Vater und Melanie. Ich musste mich bemühen, leise zu sein, da beide schon schliefen. Leise ging ich die Treppen hinauf und betrat mein altes Zimmer. Ich hatte nicht besonders viel aus New York mitgenommen außer Klamotten, mein Handy, meinen Laptop und Zahnbürste und Ähnliches. Ich legte mich auf mein altes Bett und ließ mich nach hinten fallen. Ich hatte gestern erst mit meiner Mutter gesprochen. Anscheinend war sie nicht sauer. Ich bin jetzt 18 und sollte anfangen, auf eigenen Beinen zu stehen und meinem Herzen zu folgen. Zugegeben, am Anfang des Gespräches war sie ziemlich, sagen wir mal, „aufgebracht“. Aber im Laufe unseres Telefonats wurde sie ruhiger und beendete es mit den Worten „Weißt du was…mach, was du willst. Bist ja jetzt 18. Steh auf eigenen Beinen, Cel. Ich liebe dich Schatz!“

Ich wünsche mir so sehr das meine Eltern wieder zusammenfinden. Aber ich glaube jedes Scheidungskind wünscht sich das. Ich war so extrem müde, dass mir auch bald die Augen zufielen. Mir schossen so viele Gedanken durch den Kopf, aber ich war viel zu müde, um mich auf sie zu konzentrieren. Die nächsten Tage verstrichen schnell. Ich hatte das Bedürfnis, Leon nochmal zu sehen. Also außerhalb der Schule. Ich ließ mir von Josie seine Nummer geben und fragte, ob ich kurz zu ihm könne. Er schickte mir seine Adresse und ich machte mich auf den Weg. Ich freute mich so sehr ihn gleich zu sehen. Ich wusste nicht genau, was das war, aber immer, wenn er da ist, hatte ich ein schönes Gefühl im Bauch, was fehlte, wenn er weg war. Ich war an seiner Haustür angekommen und klopfte an der alten Holztür. Er öffnete die Tür und lächelte mir entgegen. Er legte seine Arme um mich und wir gingen zusammen rein. „Ich hab das Gefühl, ich habe nichts in dieser Stadt hinterlassen; als wäre ich nie hier gewesen“. Er sah mich mit seinen hellblauen Augen an. „Du hast eine große Lücke in meinem Herzen hinterlassen, die nichts und niemand füllen konnte außer du, Cel, du bist dieser Mensch für mich, den man nur einmal im Leben trifft. Niemand wird dich jemals ersetzten können!“ Mir schossen Tränen in die Augen. Das war das schönste, was je jemand zu mir gesagt hatte. „Ich hab dich so vermisst“, sagte ich mit zittriger Stimme. Ich wischte mir meine Tränen unter meinen Augen weg und stand auf. „Ich muss dir was zeigen.“ Ich nahm seine Hand und wir liefen nach draußen. Ich wollte ihm einen Platz zeigen, an dem ich mit Melanie und meiner Mutter früher so oft gewesen bin. Meine Mutter hatte mir und Melanie dann Zöpfe geflochten und Blumen in die Haare gesteckt. Melanie war immer die Hübsche von uns. Sie hat auch einen tollen Charakter und ist einfach perfekt. Sie ist groß hübsch und blond. Nicht so wie ich . Sie hat meistens ihre Haare in einem hohen Dutt gebunden und ich war immer fest davon überzeugt und bin es immer noch, dass sie das nur getan hatte, damit ich mich mit meinem dunkelbraunen Gezottel besser fühle. Wir waren an dem Platz angekommen. Es war eine einsame Bank umringt von Bäumen und Pflanzen und man konnte von hier oben über die komplette Stadt blicken. „Das hat sich echt gelohnt,“ sagte er lächelnd. Wir setzten uns gemeinsam auf die Bank und blickten in die Ferne. Er hatte seinen Arm um mich gelegt und ich legte meinen Kopf auf seine Schulter. „Celine?“ fragte Leon etwas unsicher. „Mmmmhh?“ antwortete ich. „Weißt du, immer wenn ich dich jetzt wiedersehe, habe ich so ein schönes und glückliches Gefühl im Bauch und ich weiß nicht, wie ich es sagen soll, aber du bist mir so unendlich wichtig.“ Ich konnte in diesem Moment alle Gefühle in mir einfach nicht verarbeiten. „Ich weiß, was du meinst,“ begann ich meinen Satz. „Als wir damals gegangen sind, hatte ich das Gefühl, dass ich nie wieder glücklich sein werde, weil ich alles verloren habe. Weil ich dich verloren habe. Und ich weiß nicht, aber ich hatte schon immer das Gefühl, das du mir mehr wert bist als nur ein Freund“. „Celine, ich glaube, ich liebe dich!“ Ich weiß nicht mehr genau, was sich in dem Moment alles in meinem Kopf abgespielt hatte. Ich war das erste Mal nach zehn Jahren wieder richtig glücklich. „Ich glaube, ich dich auch.“ Ich hob meinen Kopf und blickte ihm tief in die Augen. In diesem Moment küssten wir uns. Es war ein unbeschreiblich schönes Gefühl. „Ich liebe dich!“ sagte ich. Denn ich glaubte es nicht nur. Ich wusste es. Ich hatte die nächsten Wochen eigentlich nur mit Leon verbracht Wir sahen uns jeden Morgen in der Schule, trafen uns am Nachmittag und ich freute mich furchtbar auf die Ferien, denn da könnten wir jeden Tag gemeinsam verbringen. Doch an diesem einen Tag sah ich ihn nicht in der Schule. Ich fragte Josie, wo er ist „Beim Arzt,“ meinte sie knapp und ich konnte ein trauriges Zittern in ihrer Stimme hören. Plötzlich lief mir ein kalter Schauer über den Rücken und ich fühlte mich unbehaglich und traurig. „Was hat er denn?“ harkte ich nach. „Du weißt es nicht?“ fragte Josie ungläubig. Ich wusste es nicht. Er hatte es mir nie gesagt. Er hatte mir nie erzählt, dass er vor vier Jahren an Leukämie erkrankt war. Er hatte mir nicht erzählt, dass er die Chemotherapie vor einem Jahr abgebrochen hatte. Und er hat mir nie erzählt, dass er vielleicht sogar stirbt. In dem Moment konnte ich nicht mehr. „Danke Josie,“ sagte ich gepresst, um nicht in Tränen auszubrechen. „Falls ein Lehrer fragt, ich bin krank“ sagte ich noch zu Josie und rannte aus der Schule. Kaum schlug die Eingangstür zur Schule zu, verfiel ich in einen Rausch. Ich raufte meine Haare, schrie und hörte einfach nicht auf zu weinen. Den restlichen Schultag verbrachte ich damit, zu überlegen, zurück in die Schule zu gehen, was ich letzten Endes eh nicht tat, weil ich dort eh in Tränen ausgebrochen wäre. Als die Schu

le endlich aus war, nahm ich den ersten Bus und stieg in der Nähe von Leons Wohnung aus. Ich klopfte an der Tür und seine Mutter machte mir auf. Ihre Augen waren total rot Sie hatte wahrscheinlich stundenlang geweint. „Tschuldingung, dass ich einfach hier so auftauche, aber ist Leon zufällig da?“ fragte ich mit unterdrückter Stimme. „Oben“ sagte seine Mutter knapp aber nicht unfreundlich. Ich Stimme klang brüchig und unklar. Ich ging die Treppe hinauf in sein Zimmer. „Du hast es mir nicht erzählt,“ sagte ich leise, als ich im Türrahmen stand. Leon blickte mich mit verquollenen Augen an. „Es tut mir leid! Ich wusste nicht wie“. Ich setzte mich zu ihm und er legte seinen Arm um mich und strich mir beruhigend über den Rücken. „Wie lange?“ fragte ich. Ich hätte diese Frage am liebsten niemals aussprechen müssen. „Das weiß ich erst morgen “sagte er ruhig und drückte mir einen Kuss auf meine braunen, langen Haare. „Kommst du morgen mit ins Krankenhaus?“ fragte er mit verheulter Stimme. „Na klar. Ich bin bei dir bis zum bitteren Ende“. Ich nahm seine Hand.

Eigentlich wollte ich gar nicht mit ins Krankenhaus. Ich würde die Situation noch viel schlimmer machen – die ganze Zeit nur heulen und mir Selbstvorwürfe machen. Andererseits will und muss ich jetzt für ihn da sein. Als der Arzt das Zimmer betrat, hielt ich den Atem an. „Also Leon, dadurch, dass du die Chemotherapie abgebrochen hast, ist die Anzahl der Leukozyten in deinem Blut noch weiter angestiegen. Weißt du, was das bedeutet?“ „Wenn ich nein sag, kann ich dann was Anderes haben?“ fragte Leon mit gebrochener Stimme. Der Arzt schaute ihn nur verwundert an. „Das ist das Problem im Krankenhaus.“ flüsterte er mir zu. „Niemand versteht meine Witze“. Der Arzt erklärte Leon und seiner Mutter was nun passieren würde. Ich bekam ab der Stelle, an der er sagte, dass ihm ungefähr noch drei Monate bleiben, hatte ich alles ausgeblendet. Das war es also. Er wird sterben und ich kann nichts tun. Mein erster Gedanke war einfach wegzulaufen und Stunden lang zu weinen. Aber ich konnte nicht. Ich muss jetzt stark sein.. Als wir das Krankenhaus verließen Blieb ich noch bei Leon. „Celine?“ fragte er leise. „Ja?“. „Ich muss hier raus, lass uns irgendwo hinfahren, wohin du willst, aber weg von hier.“ Ich wusste, wo wir hingehen würden, ich bin früher mit Leon abends mit der Bahn zum Strand gefahren und dann wieder zurück. Also liefen wir Hand in Hand zum Bahnhof und machten uns auf den Weg. Die Sonne war gerade dabei unterzugehen und wir beobachteten, eng aneinander gekuschelt, wie die letzten Sonnenstrahlen im blauen Meer verschwanden. „Ich wünsche mir, dass es einen Himmel gibt,“ sagte er. „Für dich auf jeden Fall.“ Ich drückte seine Hand fester. „Versprich mir, dass du nicht in Selbstmitleid verfällst, wenn du alleine bist.“ Ich musste lächeln. „Werde ich nicht.“ Er setzte sich auf und blickte mir in die Augen. „Meinst du, du könntest mich jetzt schon vergessen?“. „Natürlich nicht! Warum sagst du das?“ rief ich geschockt. „Vielleicht tut es dann nicht so weh und außerdem… “ „Sag jetzt nicht, dass ich zu gut für dich bin, denn es stimmt nicht,“ sagte ich und wurde etwas lauter. „Ich will einfach nicht, dass es dir weh tut,“ hauchte er und bekam Tränen in die Augen. “Das tut es schon,“ sagte ich mit trauriger Stimme. „Aber ich liebe dich viel zu sehr, als dass ich dich einfach vergessen werde, auch wenn ich dich über alles liebe, werde ich das schon schaffen und ich will dir deine letzten Monate perfekt machen!“ Ich legte meine Lippen auf seine. „Ich liebe dich“ hauchte er und wir küssten uns noch einmal.

„Was meinst du, kommt nach dem Tod?“ Er schaute mich mit seinen hellblauen Augen an. „Weiß nicht, vielleicht die Unendlichkeit? Den Moment vorher kann ich mir schon irgendwie vorstellen. Wahrscheinlich ist es so, als würde man sich auflösen“. Leon nickte „Vielleicht gibt es den Tod ja gar nicht, sondern nur den Moment davor. Bist du dann bei mir?“ fragte er mich. „Klar, bis zum bitteren Ende!“

Wir verbrachten viel Zeit miteinander und doch zu wenig. Langsam rückte der letzte Tag näher, der Tag, den ich so sehr gefürchtet hatte. Sein Zustand hatte sich extrem verschlechtert und es war klar, dass es diese Nacht passieren würde. Leons Mutter und ich betraten das Zimmer. Er lächelte, als er uns sah. Ich nahm seine Hand und eine zeitlang schaute ich ihn einfach nur an. „Ich will woanders hin. Ich will hier nicht sterben!“ Ich wandte mich seiner Mutter zu und fragte, ob wir noch zu Strand könnten.“ Eigentlich würde ich ja nein sagen, aber in Anbetracht der Umstände… Ich fahre!“ sagte sie. Sie verließ das Zimmer und redete mit einem der Ärzte. „Wir können mit ihm noch an den Strand. Falls es dort passiert, sollen wir im Krankenhaus anrufen.“ Ich nickte. Auf dem hinweg schwiegen wir. Leon hatte meine Hand genommen und ich strich ihm durch seine schwarzen weichen Haare. Es war schon etwas hell geworden als wir angekommen waren. Wir setzen wir uns zu dritt in den Sand. „Die Sonne geht schon wieder auf,“ sagte Leon leise. „Und meine geht unter“. Er drehte sich zu seiner Mutter. Sie nahm in fest in den Arm und beide flüsterten sich noch etwas zu. Dann lehnte er sich wieder an meine Schulter. „Du hast mir nie erzählt, warum genau du eigentlich zurückgekommen bist“. Ich schluckte meine Tränen hinunter „Ich hatte das Gefühl, dass ich hier sein muss… Dass ich etwas zu erledigen habe.“ „Vielleicht war ich ja der Grund,“ sagte er. Ein letztes Mal legten wir unsere Lippen aufeinander und ich spürte, wie er langsam aufhörte zu atmen.

Jetzt hatte ich ihn verloren. Ich dachte, ich schaffe das ohne ihn, aber ich habe mich getäuscht. Ich kann ohne ihn einfach nicht weiterleben. Was bin ich auf dieser Welt eigentlich? Was ist schon das Leben und was der Tod? Ohne Grund kann ich nicht weiterleben. Die Welt wird immer weiter laufen ohne Rücksicht auf Verluste. Der einzige Weg auf dieser Welt zu bestehen, ist zu funktionieren. Aber das Problem ist: Ich funktioniere nicht. Wer sich auf die Liebe einlässt, sollte erst überlegen, ob er ein gebrochenes Herz ertragen kann.

Ich hatte mich dazu entschieden, ihm nachzugehen. Ich legte meinen Stift zur Seite und betrachtete die weißen Dosen, in denen sich Schlaftabletten befanden. Ich hatte die Dose aus dem Schlafzimmer meines Vaters geholt, der schon seit ich denken kann, durch seine Schlafstörung mit schlaflosen Nächte zu kämpfen hatte. Ich setzte mich mit einer Wasserflasche auf den Boden und schluckte einfach alle Tabletten. Jetzt gab es kein zurück mehr. Um ganz ehrlich zu sein, ich fürchte mich etwas. Aber für ihn gebe ich alles auf. Ich fühlte wie ich langsam schwächer wurde und ließ mich nach hinten fallen. Alles begann zu verschwimmen. Als würde jemand alle Lichter nach und nach ausknipsen. Ich versuchte noch ein paar klare Gedanken zu fassen, bevor meine komplette Welt vor meinen Augen zersplitterte und ich gehen musste. Ich versuchte, meine letzten Gedanken noch für den Bruchteil einer Sekunde festzuhalten. Mein ganzes Leben zog vor meinen Augen an mir vorbei. Ich sah mich mit Josie und Kate durch die Nacht laufen, Melanie mit Blumen im Haar, meine Eltern zusammen. Ich sah meine schönsten Erinnerungen mit Leon. Alles was mich je geprägt hatte.

Momente,

in die münden sie alle,

lass sie los…..

Der Schrei in ihrer Erinnerung (von Beata aus der 8d)

Ein Schrei! Sie wachte auf und schaute verwirrt durch das Zimmer. Es war dunkel, das einzige Geräusch war ihr laut schlagendes Herz. Der Angstschweiß und die Tränen vermischten sich und tropften ihren Körper runter. „Es war ein Traum, nur ein Traum.“, rief sie sich ins Gedächtnis und wartete darauf, dass ihre Atmung sich beruhigte. Doch es brachte nichts. Die schrecklichen Bilder jenes Tages hatte sie noch klar vor Augen und der Schrei, der entsetzliche Schrei, klang noch immer in ihren Ohren. Seit diesem Tag hat sie keine Nacht friedlich schlafen können. Nicht ohne an diesen Schmerz erinnert zu werden. Wie immer ging sie das schreckliche Szenario im Kopf durch. Wie immer hoffte sie es würde etwas bewirken und sie könne weiterleben als wäre nichts gewesen, auch wenn sie jedes Mal genau wusste, dass es zwecklos war. Dennoch versuchte sie es, auch in dieser Nacht und, auch wenn es schmerzte, glaubte sie sich irgendwann daran gewöhnen zu können.

Es war ein unerträglich heißer Sommertag, Bienen summten und das Lachen vorbeilaufender Kinder war zu hören während sie nach Hause liefen. In ihren Händen hatten beide ein Wassereis, welches unaufhörlich vor sich hin schmolz. Dieser Moment war immer ihr liebster am Tag gewesen, denn zu hören wie er von seinem Schultag erzählte, über Lehrer lästerte und mit seinen Noten angab war einer der wenigen Augenblicken wo sie, im sonst so grauen und eintönigen Schulalltag, wirklich unbeschwert und sorglos sein konnte. Und doch wurde dieses Idyll von einen lauten, näherkommenden Geräusch unterbrochen. Sie blieb stehen und starrte neugierig in die Richtung des Lärms. Er bat sie weiter zu gehen, sagte, er wolle nach Hause und habe Hunger, fragte, warum sie sich nicht bewege. Doch sie hörte es nicht. Viel zu sehr hat sie die Einordnung der sich nährenden Unruhe beschäftigt. Erst als die Ursache um die Ecke bog und somit in ihr Blickfeld kam konnte sie die beiden Geräusche identifizieren. Die Alarmanlage und die Sirene der beiden Wagen tönte laut in ihren Ohren als sie das voraus fahrende Auto und den folgenden Streifenwagen sah. Und auch wenn die Wagen fast bei ihnen angekommen sind und der Lärm dadurch fast schon unerträglich wurde hörte sie sein beeindrucktes „Wow!“ ganz deutlich.

Doch egal wie bizarr diese Situation war, hat keiner der Anwesenden mit einem solchen Ausgang gerechnet. Der voraus fahrende Wagen verlor die Kontrolle, fuhr Schlangenlinien mit Kurs auf die beiden, und das alles ging so furchtbar schnell. Das einzige was sie noch machen konnten war zu schreien bevor das Auto sie rammte.

Und eben dieser Schrei verfolgte sie noch immer.

Noch nie hatte sie so etwas gehört und dachte auch nicht sie würde so etwas jemals zu hören bekommen. Die Verzweiflung nichts unternehmen zu können, der Schmerz des Unfalls und die Überraschung vermischten sich zu einem beinahe schon unmenschlichen Laut.

Nach diesem Schrei herrschte jedoch Dunkelheit in ihrem Gedächtnis.

Sie hat das Bewusstsein verloren, wahrscheinlich wegen dem Schock, wie die Ärzte im Krankenhaus sagten. Aber auf die Frage wie es denn ihm, ihren Bruder, ginge bekam sie erst kurz vor der Entlassung die Antwort.

Tot. Noch am Unfallort verstorben.

Der Schuldige, welcher, wie sich herausstellte, das Auto unter Alkoholeinfluss gestohlen hatte verlor beim Fahren ebenfalls das Bewusstsein und verstarb im Krankenhaus.

Ihr Atem hat sich beruhigt, ihr Herzschlag auch. Aus ihrer Erinnerung zurück stellte sie fest, dass ihr nur noch ein paar leise Tränen die Wangen runter liefen.

Die Sonne schien ihr sanft ins Gesicht und die kühle Morgenluft sorgte für eine leichte Gänsehaut als sie mit einem traurigen Lächeln runterschaute.

Sie schaute auf die Blumen, die sich den ersten Sonnenstrahlen entgegenstreckten.

Sie schaute auf die neu entzündeten Kerzen, deren Flammen im Wind flackerten und auf die kaum beleuchtete schnörkelige Schrift auf dem glatten Stein.

Sie schaute hinab auf das Grab ihres geliebten Bruders.

„Weißt du was letztens in Englisch passierte…“, fing sie an doch unterbrach sich selbst recht schnell. Sie konnte nicht so tun als wäre sie er, als würden sie gerade zusammen nach Hause laufen und ein Eis essen, als wäre alles normal. Mit diesem Gedanken begann sie wieder zu weinen. „Vaters Trinkproblem wird schlimmer! Man sieht ihn nur noch mit Hochprozentigen in seinem Sessel sitzen, es scheint sogar schon Probleme mit seiner Leber zu geben. Aber anstatt zu einem Arzt zu gehen übernachtet er immer wieder außer Haus, geht wahrscheinlich zu seiner Geliebten. Auch Mutters Zustand wird nicht besser. Sie räumt noch dein Zimmer auf, wäscht deine Sachen und macht dir Essen… Ich bat sie sich Hilfe zu suchen. Einen Experten um Rat zu bitten. Doch sie will nicht hören! Die beiden haben sich so verändert… sie streiten nur noch und das Einzige wobei sie sich einig sich ist meine Schuld an deinem Tod. Ich hab mir die Vorwürfe so oft anhören müssen, dass ich auch schon daran glaube. Wäre ich nicht stehen geblieben! Hätte ich dich bloß gehört und wäre weiter gegangen!“.

Ihr lautes Schluchzen unterbrach sie kurz bevor sie weiter reden konnte.

„Ich vermisse dich so sehr! Ich… ich kann einfach nicht mehr! Ich kann ‚will das alles nicht mehr ertragen!“.

Mit diesen Worten und einem letzten lauten Schluchzer stand sie auf und ging weg. Doch egal wie weit sie auch vom Grab wegging, ihren letzten Satz vergaß sie nie.

 

Wir sehen uns auf der anderen Seite (von Kristin aus der 8e)

Freitagabend, ihr Vater kam gerade von der Arbeit. Er war in den letzten Tagen ziemlich erschöpft, sein bester Freund hatte Probleme und er selbst war im Moment nicht zufrieden mit sich Selbst. Trotz alldem kam er immer mit einem Lächeln nachhause, damit seine kleine Tochter nichts davon mitbekommt. Für sie war ihr Vater wie der beste Freund den man nur haben kann, sie hatte zwar noch zwei Brüder, aber das Verhältnis zwischen ihr und ihrem Vater war unschlagbar schön. Doch an diesem Abend nicht. Wegen seinen ganzen Problemen trank er abends noch Alkohol, was das kleine Mädchen gar nicht mochte. Sie ertrug es nicht ihn weinend in der Küche sitzen zu sehen und ging deshalb ohne ein Wort schlafen. Am nächsten Tag wollte ihre Familie einen Ausflug machen, aber dazu kam es nicht…

An diesem Morgen stand sie schon früh auf, da sie sich auf diesen Tag freute und lief ins Schlafzimmer von ihren Eltern. Ihre Mutter lag im Bett und las ein Buch. wahrscheinlich hatte ihr Vater im Wohnzimmer geschlafen, da er am Abend noch einen Film geguckt hatte: Jesus liebt mich! der fernsehen lief noch und ihr Vater lag auf dem Sofa. Sie rief lachend seinen Namen und versuchte ihn aufzuwecken, doch er gab keine Reaktion.

An diesem Tag hatte das kleine Mädchen ihren besten Freund verloren

. Ihre damals einzig logische Begründung dafür war:,, er hat ja den Film Jesus liebt mich geguckt, vielleicht hat er das ja gesehen und sich gedacht: ja ich liebe ihn wirklich und wollte deshalb meinen Papa bei sich haben. ‘trotzdem wartete sie noch oft abends darauf, dass er durch die Haustür kommt und sie anlächelt, doch das passierte nicht.

Mit der Zeit hat sie verstanden, dass es an einem Herzinfarkt und einer Lungenembolie lag und sie hat sich daran gewöhnt jetzt nur noch ein Elternteil zu haben.

Iin den nächsten drei Jahren passierte viel. Das kleine Mädchen kam in die Pubertät und lernte so da Leben kennen: Schulprobleme, den Unterschied zwischen echten und falschen Freunden, streit und Versöhnung, Jungs und die liebe…ja, es gab viele Probleme doch sie war zufriedenmit ihrem Leben. Sie hat die beste Familie, Freunde die genau so verrückt sind wie sie. Einen wichtigen jungen, den sie bald wiedersehen wird und sonst läuft ihr Leben super und sie war eigentlich immer am Lächeln.

Viele konnten es gar nicht verstehen, dass sie überhaupt nicht traurig ist. Jeder sah sie mit Mitleid an und sagte: wenn mein Vater sterben würde, dann würde ich nur noch weinen.‘‘ ihre Antwort darauf war nur: ich werde ihn doch wiedersehen. Warum also sollte ich mein Leben lang nur trauern?‘

‘ die meisten verstanden das nicht doch sie lächelte nur und dachte sich: ,,wir sehen uns auf der anderen Seite, Papa‘‘